Wehrpflicht nach 1998 ohne Chance?

■ Bündnis 90/Die Grünen und Teile der FDP fordern deren Abschaffung

Bonn (taz) – Bündnisgrüne Angehörige des Verteidigungsausschusses des Bundestags haben gestern die Abschaffung der Wehrpflicht gefordert. Langfristig rechnen sie für diesen Kurs sogar mit der Unterstützung des politischen Gegners: „Wir gehen davon aus, daß die Wehrpflicht nach der Wahl auch von der Koalition zur Disposition gestellt wird“, erklärte der Abgeordnete Winfried Nachtwei.

Auszuschließen ist das nicht: In der FDP wird bereits offen darüber gestritten. Während Parteichef Wolfgang Gerhardt grundsätzlich an der Wehrpflicht festhalten will, fordert Jürgen Möllemann, Vorsitzender der FDP in Nordrhein-Westfalen, die Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee. Sein Landesverband hat sich ebenso wie der FDP-Landesverband Schleswig- Holstein für einen Mitgliederentscheid zu der Frage ausgesprochen. Nach Auffassung des FDP- Bundesvorstands soll der aber nicht vor dem nächsten Bundesparteitag im Mai 1997 stattfinden.

Die Grünen beantragen unterdessen im Verteidigungssauschuß als ersten Schritt, im nächsten Jahr 50.000 weniger Wehrdienstleistende einzuberufen als bislang vorgesehen. Dieser Antrag ist allerdings chancenlos – nicht einmal die SPD trägt ihn mit.

Der Verteidigungsausschuß stimmt heute über den Haushaltsentwurf des Bundesverteidigungsministeriums ab. Die sozialdemokratischen Abgeordneten lehnen den Entwurf ebenso wie die Grünen ab. Dennoch herrscht bei den Oppositionsparteien nur bei wenigen Themen Übereinstimmung. Zu diesen gehören die Forderung, den Leertitel für die Beschaffung des Waffensystems Eurofighter zu streichen und Anträge auf Erhöhung des Wehrsolds, den die Hardthöhe wegen des ohnehin um eine halbe Milliarde Mark gekürzten Etats derzeit nicht plant.

Der Gesamthaushalt des Verteidigungsministeriums wird 1997 bei 46,7 Milliarden Mark liegen. Anträge der Grünen enthalten Kürzungsvorschläge in Höhe von mehr als fünf Milliarden Mark. Im einzelnen fordern die Grünen unter anderem eine völlige Streichung der Mittel für Nachwuchswerbung, für Minenverlegesysteme und militärische Minenräumung sowie für militärische Zusammenarbeit mit ehemaligen Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts. Gefordert wird auch eine Kürzung der Mittel für den Militärischen Abschirmdienst. Diese Anträge unterstützt die SPD nicht.

Auf Mißtrauen stößt hingegen bei der gesamten Opposition das vom Verteidigungsministerium aufgestellte „Kommando Spezialkräfte“ (KSK), das unter anderem mit der Evakuierung deutscher Staatsbürger aus Krisengebieten beauftragt werden soll. SPD und Grüne fürchten, daß die politische Kontrolle des Kommandos durch das Parlament nicht gewährleistet ist und verlangen einen umfassenden Bericht der Bundesregierung zum Thema. Bettina Gaus