Helden, an den Rand gerückt

Das Deutsch-Russische Museum in Karlshorst sucht anderthalb Jahre nach der Neueröffnung immer noch nach Akzeptanz  ■ Von Stefan Kruse

Verseuchte Kasernenflächen, langsam verfallende „Russenwohnungen“ oder ein monumentales Ehrenmal im stalinistischen Stil – viel ist nicht übriggeblieben von der fast 50jährigen Präsenz der „ruhmreichen Sowjetarmee“ im Berliner Osten.

Zwei Jahre nach dem Abzug des letzten Rotarmisten aus der alten neuen Hauptstadt kämpft mit dem Deutsch-Russischen Museum ein ganz besonderes Überbleibsel der Geschichte um Akzeptanz. Das Haus im Stadtteil Karlshorst befindet sich immer noch im Wandel von einer Stätte dumpfer Heldenverehrung zu einem Museum mit Bildungsanspruch.

Am 10. Mai 1995, zwei Tage nach dem 50. Jahrestag des Kriegsendes, war das Museum wiedereröffnet worden: In jenem Gebäude, in dem Vertreter der Wehrmacht 1945 die Kapitulation des Deutschen Reiches unterzeichneten. 1967 richteten die Sowjets hier ihr „Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg“ ein, das zum Pflichtprogramm vieler Jugendweihe-Kandidaten und Jungen Pioniere in der DDR gehörte und rund 100.000 Besucher jährlich empfing.

Nach der Vereinigung bestand es, von der Armee eher schlecht als recht weitergeführt, zunächst als Ausstellungsstätte ohne klare Zukunft fort.

„Wir sind keine Militärschau, sondern wollen die Leiden, den millionenfachen Tod der Menschen, in den Mittelpunkt stellen und Denkanstöße geben“, beschreibt Leiter Peter Jahn das Konzept des neuen Museums. „Dabei werden auch bisherige Tabus wie die Behandlung von Kriegsgefangenen nicht ausgespart.“

Als Träger wurde ein bislang einzigartiges Modell gewählt: ein bilateraler Verein, dem politische und kulturelle Institutionen aus beiden Ländern angehören, darunter die jeweiligen Regierungen.

Doch schon die vom 8. auf den 10. Mai 1995 verschobene Eröffnung warf bei Beobachtern die Frage nach dem Stellenwert des Museums auf. Politprominenz beider Seiten blieb fern. Offizieller Grund: Terminschwierigkeiten. Hinter den Kulissen wurden als Gründe die, wie es der Historiker Helmut Trotnow formuliert, „unsägliche Beutekunstdiskussion“ sowie diplomatische Irritationen nach Beginn des Kriegs in Tschetschenien vermutet.

„Es war unsinnig, eine solche Stätte in aktuelle politische Entwicklungen hineinzuziehen“, kritisiert Helmut Trotnow, der maßgeblich an der wissenschaftlichen Vorbereitung des Museums mitgewirkt hat.

Seither wurden in dem Museum 40.000 Besucher begrüßt. Trotz der Lage in eher trostloser Umgebung fanden sie den Weg nach Karlshorst, zumeist nach längerem Fußmarsch durch Straßen, die von maroden, leerstehenden Häusern gesäumt werden. „Gerade mal zwei Linienbusse pro Tag kommen hier vorbei“, stöhnt Jahn. „Aber die bewegte Geschichte des Hauses muß nun einmal erzählt werden, an der Lage können wir nichts ändern“, meint Trotnow.

Weiteres Problem: Der allein vom Bund getragene Jahresetat von 1,5 Millionen Mark reiche kaum für die Weiterentwicklung der Schau, geschweige denn für eine systematische Öffentlichkeitsarbeit oder Hochglanzprospekte. Noch immer sei die Ausstellung „da drüben“ im Westen kaum bekannt.

„Selbst im Innenministerium wußte bis vor kurzem niemand, was hier überhaupt finanziert wird“, gibt Peter Jahn die Eindrücke seines letzten Bonn-Besuchs wieder.

Und die Russen? Deren Anteil beschränkt sich auf die Exponate aus dem Kapitulationsmuseum, die etwa 40 Prozent der neuen Ausstellung ausmachen: das Modell einer Schlachtenszene, Uniformen und Dokumente in den Vitrinen. Diverse Kanonen und Panzer, beim Sturm auf Berlin eingesetzt, rosteten jahrelang vor sich hin und werden nun von ABM- Kräften erneuert – mit Originalfarbe, die von den Museumsmitarbeitern auf abenteuerlichen Wegen in russischen Kasernen beschafft wurde.

„Das Museum hat einen sehr großen Stellenwert in Rußland“, betont der einzige russische Mitarbeiter, Jewgenij Simanowitsch. „Aber es gibt dort zu viele andere Probleme“, fügt er achselzuckend hinzu.