■ SURFBRETT
: Gemischter Salat à la Metallurg

Man fragt sich schon so einiges, wenn die Nacht sich in die Länge zieht. Neulich, ich hatte wie immer nichts zu essen zu Hause, habe ich einen Link „Bulgarian cuisine“, angeklickt, der zu dieser Adresse nach Japan führte: http://bahamut.mm.t.u-tokyo .ac.jp/~jan/

Die virtuelle Küche bot vor allem Salate an. Den obligatorischen Schopska- Salat natürlich, aber was meinen Appetit mehr anregte, war das Rezept für den „Gemischten Salat“. Zu den etwas irritierenden Zutaten gehörten neben Auberginen, Peperoni, Tomaten, Walnüssen und einer Gurke auch 203 (in Worten: zweihundertdrei!) Knoblauchzehen.

Auch die Größenangaben bei den Peperoni machten mich etwas stutzig: Da stand nämlich, daß unterschieden werden muß zwischen der bulgarischen und der nichtbulgarischen Größe. Danach sind die bulgarischen Peperoni ungefähr doppelt so groß wie die andern. Ob das schon immer so war oder ob Tschernobyl oder Kozloduj ihre Strahlen im Spiel hatten, darüber wollte ich zu später Stunde nicht mehr nachdenken. Ich hatte ja weder die einen noch die anderen Peperoni zu Hause.

Trotzdem habe ich mir die Rezepte runtergeladen, für den Fall, daß ich es irgendwann mal vor Sonnenuntergang zum Gemüseladen um die Ecke schaffe. Nach diesem Appetizer – zu jedem Rezept ein schönes Farbbild, Serviervorschläge und Fotos von bulgarischen Weinflaschen – klickte ich weiter auf der Homepage herum. Dann stellte sich die Frage ein: Wer zum Henker will da seine Mitbürger mit Knoblauchvergiftung dahinsiechen sehen – riechen muß er sie ja nicht? Und siehe da: Es ist ein Wissenschaftler, um es genau zu nehmen, ein bulgarischer Doktor der Metallurgie, der an einer Universität in Tokio arbeitet. Einer von den Glücklichen, die den wirtschaftlich maroden Balkanstaat verlassen haben. Einer von denen, die dazu beigetragen haben, den brain-drain („Hirn-Abfluß“) aus diesem Land anschwellen zu lassen. Aber wer wollte es ihm verdenken, bei Monatslöhnen um die 100 Mark? Wäre er zu Hause geblieben, in einem der trostlosen Blocks des Wohnkomplexes Mladost (Jugend), hätte er wahrscheinlich ganz andere Sorgen gehabt, zum Beispiel, wo er die Zutaten für seine Lieblingsspeisen herbekommen hätte. So aber hat er der Welt eine nette Web-Page beschert.

Auch die Sache mit dem Knoblauch sei ihm verziehen. Mit zwei oder drei Zehen schmeckte der Salat ganz vorzüglich! Ulrich Büchsenschütz

bully@zedat.fu-berlin.de