■ IRA bekennt sich zum Bombenanschlag von Lisburn
: Heuchelei auf allen Seiten

Das war's dann wohl. Die IRA-Bombe von Lisburn ist zwar in der größten Kaserne der britischen Armee in Nordirland hochgegangen, aber letztendlich wird die katholische Bevölkerungsminderheit am meisten darunter leiden. Man muß kein Prophet sein, um vorauszusagen, daß die loyalistischen Todesschwadrone demnächst wieder ausschwärmen und x-beliebige Katholiken in Belfast, Derry oder Dublin aufs Korn nehmen werden. Das ist natürlich auch Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams klar. Er sagte vorgestern, eine Provokation der Loyalisten würde zu „Massenabschlachtungen von Katholiken“ führen, fügte aber optimistisch hinzu, daß dies niemand wollen könne.

Merkwürdig. Als der IRA-Waffenstillstand vor zwei Jahren verkündet wurde, argumentierte die Sinn-Féin-Führung gegenüber Zweiflern, daß man jederzeit wieder zu den Waffen greifen könnte, falls der Friedensprozeß scheitere. Daß er gescheitert ist, geben inzwischen auch die meisten Politiker zu – wenn auch noch hinter vorgehaltener Hand. So politisch blödsinnig der Anschlag von Lisburn auch ist, so heuchlerisch sind die Reaktionen. Wenn der britische Premierminister John Major und sein Statthalter in Nordirland, Patrick Mayhew, beschwören, sich durch die Bomben nicht von ihrem Kurs abbringen zu lassen, muß man sie daran erinnern, daß es gerade dieser Kurs war, der zur Eskalation geführt hat. Ein ums andere Mal hat man die Menschen, die auf eine politische Lösung in Nordirland hofften, hinters Licht geführt. Sobald die IRA eine Vorbedingung für Sinn Féins Platz am Runden Tisch erfüllt hatte, baute man eine neue Hürde auf. Major war das innenpolitische Hemd stets näher als die nordirische Friedenshose.

Wie weiter? Die einzige Möglichkeit, einen mörderischen Kleinkrieg zu verhindern, ist ein umgehender Waffenstillstand der IRA. Außerdem muß die Sinn- Féin-Führung den siechenden „Friedensprozeß“ offiziell beerdigen, denn es waren nicht zuletzt die trügerischen Hoffnungen auf die ehrlichen Absichten der britischen Regierung, die den Frust bei den Hardlinern noch verstärkt haben. Statt dessen sollte man sich um ein breites Bündnis kümmern. Das Potential ist da, das haben die großen Demonstrationen gegen die loyalistischen Paraden im vergangenen Sommer gezeigt. Und die Loyalisten haben bewiesen, daß man damit Erfolg haben kann: Als sie aus Protest gegen die Blockade ihrer Paraden ganz Nordirland lahmlegten, bekamen sie schließlich ihren Willen. Ralf Sotscheck