EU: Schweigt über BSE!

■ Kommission unterdrückte deutsche Warnungen. Redeverbot für Experten

Brüssel (AFP) – Die EU-Kommission hat 1994 offenbar Druck auf die Bundesregierung ausgeübt, um die Gefahren der Rinderseuche BSE herunterzuspielen. Professor Arpad Somogyi, der Leiter des Berliner Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, enthüllte gestern vor dem Ausschuß des EU-Parlaments den Inhalt eines Schreibens vom 10. Oktober 1994. Darin zeigt sich der Generaldirektor der EU für Agrarfragen, Guy Legras, gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium besorgt darüber, daß deutsche Amtswissenschaftler ein Exportverbot für britische Rinder forderten, die vor 1991 geboren wurden.

Das Schreiben von Legras an das Bundesgesundheitsministerium ist der bislang deutlichste Beleg für Versuche der EU-Kommission, die Debatte über BSE-Gefahren einzudämmen. Mit ihrem Vorgehen wollte die EU-Kommission offenbar verhindern, daß der Rindfleischmarkt von Turbulenzen erschüttert wird. „Ich finde es kaum hinnehmbar, daß Beamte einer nationalen Regierung in dieser Weise, insbesondere bei einem so empfindlichen Thema, versuchen könnten, das EU-Recht zu untergraben“, heißt es in dem Schreiben Legras'. „Ich möchte Sie daher bitten sicherzustellen, daß diese Debatte nicht fortgesetzt wird, insbesondere nicht auf einem internationalen Forum.“ Vor dem Schreiben hatte Somogyi auf einer WHO-Sitzung darauf hingewiesen, daß BSE auf den Menschen übertragbar sei. Daraufhin soll er vom Bundesgesundheitsministerium quasi Redeverbot erteilt bekommen haben. Ihm sei mitgeteilt worden, daß die EU-Kommission derartige Äußerungen von deutschen Offiziellen oder Gesundheitsbehörden nicht mehr in internationalen Gremien zulassen werde.

Der Schweizer BSE-Experte Charles Weissmann äußerte gestern in Brüssel Zweifel an einer Studie der Universität Oxford, nach der die Rinderseuche im Jahr 2001 von alleine ausgemerzt sein wird. Die Hinweise auf eine Übertragbarkeit seien hinreichend zuverlässig, um davon auszugehen, daß es sich um eine Realität handle, so Professor Weissmann.