Deutsche Opfer

■ Wie Peter Gauweiler NS-Historie verarbeitet

Daniel J. Goldhagen kann sich bei Peter Gauweiler bedanken, wenn sich sein Buch weiter in den Charts hält. Kaum ist die eigentümlich bunte und aufgeregte neueste deutsche Vergangenheitsbewältigungsoffensive durch den Blätter- und Bilderwald gerauscht, da kommt Peter Gauweiler aus dem Urlaub und zeigt uns klipp und klar, daß wir noch viele Goldhagens brauchen.

Goldhagens Buch ist die eine Sache, Gauweilers Artikel im Bayernkurier eine Offenbarung. Er gehört in jedes Schulbuch – nicht der Prosa wegen, aber Genaueres über den offiziellen Stand der Schuld gab es in letzter Zeit kaum zu lesen. Das Revival der deutschen Lieblingsthese: Sie waren die eigentlichen Opfer. Aber wenn sie die eigentlichen Opfer Hitlers und seiner paar Verbrecher waren, wer sind dann die uneigentlichen Opfer? Die Juden etwa? Nun, sie fielen einem inhumanen, falsch-romantischen Betriebsunfall zum Opfer – damals. Aber heute sind sie wieder Täter, wenn sie die Deutschen der Untat bezichtigen. Folgerichtig wird Goldhagen der Volksverhetzung verdächtigt.

1984 hat ein Meisterhistoriker – Franz Josef Strauß – letztinstanzlich verkündet, es seien nur „50.000 Deutsche an den furchtbaren Gewalttaten mittelbar oder unmittelbar beteiligt“ gewesen. Lassen wir mal beiseite, daß 40.000 der bösen Unholde in der Bundesrepublik wieder zu Ehre und Pension kamen. Alles läuft auf den entscheidenden Satz hinaus: „Die moralische Substanz der Nation blieb erhalten.“ Man darf sagen, in Gauweiler lebt sie unbeschadet fort.

Gauweiler mahnt zur Sachlichkeit. Wir wollen ihm hierin folgen und seine moralische Substanz nicht als mentalitätsgetrübte kollektive Erblast durchgehen lassen. Wir verweisen auf das Buch von Norbert Frei „Vergangenheitspolitik“, wo streng sachlich nachgewiesen wird, daß Gauweilers Ansichten nicht Teil eines moralischen GAU sind, sondern einer exakt und komplex operierenden politischen Strategie folgen. Insofern verstehen wir auch, warum er den lieben Gott bekniet: „Wir müssen Gott bitten, daß wir mit uns ins reine kommen.“ Und wir ahnen bitterlich, daß Gott gerade mal wieder Dienstschluß hatte, als die bayerische Regierung um himmlischen Beistand nachsuchte. Walter van Rossum