WG-Hölle, bürgerlich

■ Premiere im Theater im Zimmer

„Ich glaube an den Unterschied zwischen Gut und Böse, und dafür brauche ich mich nicht zu entschuldigen“, hiebt Helena Charles mit dem Rücken zur Wand verzweifelt in die Bude. Entschuldigen muß sie sich aber dennoch. Schließlich ist sie eine Figur von John Osborne und eine Protagonistin der ,lost generation', die gestern Abend ihren Auftritt in bürgerlicher Atmosphäre hatte: Im Theater im Zimmer in Pöseldorf feierte Blick zurück im Zorn Premiere.

Christoph Roethel verlegte die Beziehungsschlacht zwischen Jimmy, Cliff, Alison und Helena in eine 70er-Jahre-WG , die sich ganz uncool das Leben zur Hölle macht. Alison liebt ihren nervenaufreibenden Mann Jimmy so sehr, daß er sie mit seinen nie endenden Provokationen in die Knie zwingen kann. Sie verweigert ihm dafür die Anteilnahme an seiner seelischen Nabelschau. Ihre Herzlichkeit schenkt sie lieber dem einfühlsamen Cliff, der mit dem Paar die Dachkammer teilt. Für Jimmy dient Cliff wahlweise als Prellbock oder Machokumpel. Das Konstrukt beginnt zu kippen, als Alison erfährt, daß sie schwanger ist, und mit Hilfe ihrer angereisten Freundin Helena dem Beziehungsterror zu entkommen versucht.

Helenas anfangs scheinbar klar strukturierte Welt vom richtigen und falschen Leben wird ziemlich schnell von Jimmy Potter enttarnt. Er bleibt hartnäckig bei seinem Thema: der Feigheit und Verlogenheit des bürgerlichen Menschen.

Jimmy Potters verzweifelter Langstreckenlauf der Tabubrüche wird brillant gekontert durch die Hürden, die ihm seine Peergroup stellt. Michael Dangl als Jimmy nimmt sich zweieinhalb Stunden lang so herrlich wichtig, daß der bürgerliche Silberstreif, der mit einer patent-frechen Susanne Stangl als Helena am Horizont auftaucht, schon fast als Lösung erscheinen könnte. Die Lösung liegt bei Osborne allerdings nicht in der Souveränität des Individuums. Sie liegt unter den verkrusteten, unechten Strukturen des Bürgerlichen.

Das Publikum im Foyer schien sich indes ganz sicher zu fühlen.

Elsa Freese