Mit Du und Du mit Kitaplätzen: Flugblatt-Ärger
■ Kinder sollen zu Hause bleiben
Der 1.Februar 1997 ist ein Datum, an das Tine Wischer jetzt schon denkt. An diesem Stichtag haben 2.500 Kinder erstmals einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz und können außerhalb die an den Schuljahresbeginn gekoppelten Anmelde-termine für Kindertagesplätze angemeldet werden. Mit dem Faltblatt „Eltern-Information zum Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz“ bereitete die Sozialbehörde die Eltern auf den Termin vor. Das aber finden Eltern und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wenig gelungen. „Einen durchsichtigen Versuch, unliebsame Bewerber auf einen Kitaplatz wegzuekeln“, fand die Grüne Fraktionssprecherin Karoline Linnert.
Sauer stößt nicht auf, daß die Senatorin auf der Datenbasis des Einwohnermeldeamts an die 2500 Eltern den Rundbrief geschickt hatte. Doch im „Appell an die Bremer Eltern“ steht, es gebe „gute Gründe dafür, Ihre Kinder nicht zu den zwischenzeitlichen Stichtagen ... anzumelden.“ Die Neuen müßten in bestehende Gruppen integriert werden, in diese Gruppen käme Unruhe und bei einer Februaranmeldung könne das Kindergartenjahr nicht wie üblich ans Schuljahr gekoppelt werden. Der Vorschlag der Sozialbehörde: „Melden Sie ihr Kind bitte nur zum 1. August an.“
„Rechtlich kann man gegen so ein Faltblatt nichts sagen“, betonte der Rechtsanwalt Bernd Rasehorn. Doch Elternvertreter halten von dem Vorschlag nichts. „Das Faltblatt ist eine Zumutung, vor allem für Frauen. Sollen die bis zum Sommer warten, bis sie wieder ins Berufsleben eintreten?“ fragte Rolf Wroblewski, der Sprecher des Gesamtelternbeirates. Auch die GEW erklärte, die Senatorin versuche, Eltern psychisch und moralisch unter Druck zu setzen. Der Grund für das Faltblatt, so die Grüne Linnert: „Weil die Behörde bis heute kein Konzept hat, wie das Recht auf einen Kindergartenplatz umgesetzt werden soll, setzt sie auf ein dreistes Ablenkungsmanöver“ Immerhin hätte Wischer so das Problem auf den August vertagt.
Senatorinnensprecher Holger Bruns-Kösters wies das zurück: „Wir spielen nur mit offenen Karten.“ Die 16 Millionen Mark, die der Senat für die Umsetzung des Rechtsanspruches bewilligt hat, reichten zwar aus, um alle Kinder aufzunehmen. „Aber wir können keine Blütenträume verbreiten. Wir müssen für viele Plätze zunächst mit Nachmittagsgruppen und Doppelnutzungen retten.“
Die Diskussion über die Anmeldung mitten im Schuljahr trifft allerdings eine durch die seit dem Frühjahr geltende neue Kindergartenbeitragsordnung verunsicherte Elternschaft. Etwa 60 Bremer Eltern hatten nach GEW-Angaben in der Region wegen der Verteuerung der Kita-Plätze ihre Kinder ab- oder umgemeldet. Elternvertreter Wroblewski: „Warum schafft man nicht für die Neuen spezielle Gruppen, statt sie in bestehende hineinzudrücken?“ Falls Eltern wegen der Flugschrift von einer Anmeldung zum Februar abgesehen haben, ist es jetzt ohnehin zu spät. Stichtag für die Anmeldung war der 30. September. L.R.
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