: Schikane statt Resozialisierung?
■ Fuhlsbüttel: Gefangene fühlen sich von Anstaltsleiter drangsaliert: Urlaub verweigert, Isolationshaft als Strafe, Gerichtspost geöffnet Von Sannah Koch
Rechtsbeugung oder zulässige Handlungsspielräume eines Anstaltsleiters? Nicht resozialisiert, sondern drangsaliert fühlen sich die Gefangenen der Anstalt I in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel. Ihre Insassenvertreter klagen über rechtswidrig geöffnete Post, die Ablehnung von Urlaubsanträgen und andere Schikanen. Alles rechtens, meint die Justizbehörde; „unannehmbar“ sagt hingegen ein Hamburger Richter.
Aufgrund der chronischen Überbelegung und des massiven Drogenproblems sei die Situation im Haus enorm angespannt, beschreibt Insassensprecher Andreas Caulier die Lage in der Einweisungsanstalt I. Hier sitzen Gefangene mit Kurzstrafen und solche, die in den offenen Vollzug gehen sollen. Viele der Inhaftierten sind drogenabhängig – „der Haft-Alltag ist deswegen von der Jagd nach Stoff gekennzeichnet“, so Caulier.
Vor dem Hintergrund dieser schwierigen Lage empfinden die Gefangenen den Leitungsstil von Anstaltsleiter Peter Weiß als schikanös. So gestattete dieser bislang weder Kaffee- noch Schreibmaschinen oder Kühlboxen in den Zellen – in „Santa Fu“ eine normale Ausstattung. „Die Kühlboxen lehnt der Anstaltsleiter aus Sicherheitsgründen ab“, erklärt Wolfgang Schuchardt (Aufsichtsreferent für die Anstalten in der Justizbehörde) auf Nachfrage. Weiß' Begründung: Bei Zellendurchsuchungen würde es unannehmbare Mehrarbeit bedeuten, die Boxen zu durchsuchen. Die Gewährung von Kaffee- und Schreibmaschinen habe man aber jetzt durchgesetzt, betont Schu-chardt.
Schlimmer finden die Gefangenen die konsequente Ablehnung ihrer Urlaubsanträge. Nach dem Gesetz hat Anspruch auf Ausgang, wer ein halbes Jahr in Haft sitzt oder drei Monate vor der Entlassung steht – laut Caulier etwa ein Fünftel der über dreihundert Insassen. „Hier bekommt aber kaum jemand einen Antrag ohne einstweilige Verfügung vom Gericht durch“, klagt der Insassenvertreter – eine mehrmonatige Prozedur.
Auch würden die Gefangenen über die Ablehnung ihrer (schriftlichen) Anträge nur mündlich unterrichtet – eine Rechtsmittelbelehrung finde dabei nicht statt. „Viele wehren sich deswegen nicht“, glaubt Andreas Caulier. „Eine schriftliche Ablehnung würde einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand bedeuten“, verteidigt Schuchardt jedoch diese Praxis. Wer seinen Urlaubsantrag dennoch durchboxe, so Caulier, werde im nachhinein häufig mit mehrtägiger Haft in der Trockenzelle „bestraft“. Eine Kammer ohne Toilette – die Notdurft muß in eine Bettpfanne verrichtet werden; so soll der Drogenschmuggel in die Anstalt verhindert werden. Trockenzelle, so Caulier, bedeute zudem 24 Stunden Einschluß und den anschließenden Verlust der Einzelzelle und des Arbeitsplatzes.
Deutliche Worte über eine weitere Maßnahme fand kürlich ein Hamburger Strafvollstreckungsrichter. Die Insassenvertretung hatte ihm im März mitgeteilt, daß Anstaltsleiter Weiß Gefangenenpost an Behörden und Gerichte öffnen lasse. „Ausgehende Briefe der Insassen an Behörden unterliegen nicht der Kontrolle“, betonte Richter D. in einem Schreiben an die Insassen. Dies hätten zwei Strafkammern rechtskräftig entschieden; in Santa Fu halte man sich auch daran. „Diese Ungleichbehandlung der Gefangenen halte ich für untragbar“, kritisiert D. weiter; es liege die Vermutung nahe, daß die „Kontrollen der Befriedigung der Neugier der Bediensteten diene“.
Bislang regelt eine Verfügung der Justizbehörde, welche Post geöffnet werden darf; danach ist die Kontrolle von Briefen an Gerichte und Behörden zulässig. Das müsse dann wohl überprüft werden, versicherte Schuchardt.
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