„Das iss'n Krampf“

■ Verkehrsberuhigung in der Chemnitzstraße erregt die Gemüter der AutofahrerInnen Von Heike Haarhoff

Eigentlich fehlen ihm nur 500 Meter bis zum Ziel. Mit dem Auto eine Angelegenheit von wenigen Minuten. Aber nun, da eine rot-weiße Diagonalschranke in Höhe der Hospitalstraße die Durchfahrt durch die Chemnitzstraße versperrt (taz berichtete), kurvt Nico Gasparatos bereits seit über einer halben Stunde mit seinem Wagen durch den Norden Altonas. „Wie komm' ich jetzt bloß zur Gerberstraße?“, stöhnt er. Und eine andere Fahrerin pflichtet ihm aus dem heruntergekurbelten Fenster bei: „Verkehrsberuhigung ist ja gut und schön. Aber das hier iss'n Krampf.“

Was bei AutofahrerInnen Kopfschütteln, Flüche, Gehupe und sonstige Wutausbrüche hervorruft, erfüllt viele AnwohnerInnen mit Genugtuung: Bereits seit Jahren wollen sie die Sperre, die dem Durchgangsverkehr, der die Chemnitzstraße bevorzugt als Abkürzung von der Max-Brauer-Allee zur Holstenstraße nutzt, einen Strich durch die Rechnung machen soll.

Diese Forderung ist seit Montag morgen Wirklichkeit: Die Pfähle der „Diagonalsperre“ sind fest im Boden verankert; lediglich RadfahrerInnen haben noch die Möglichkeit, die Kreuzung durch die 1,50 Meter breite Lücke zwischen den beiden Schrankenflügeln zu passieren. In acht Tagen sollen die verbleibenden Arbeiten an den Radwegen beendet und Schilder mit der Aufschrift „Verkehrsführung geändert“ aufgestellt sein. „Und bis dahin haben es die Autofahrer hoffentlich kapiert“, sagt ein Verkehrspolizist, der die Schranke begutachtet.

Daß bald Ruhe und damit mehr Sicherheit einkehren wird, hofft auch eine Anwohnerin mit zwei Kleinkindern, die sich im vergangenen Jahr an den wöchentlichen Demonstrationen gegen die Raser beteiligt hatte. „Wir freuen uns natürlich. Obwohl in Sachen Verkehrsberuhigung noch einiges zu tun bleibt“, kommentiert Miriam Schneider vom Elternbeirat der Grundschule Chemnitzstraße.

Dieser hatte zusammen mit SchülerInnen und Schulleitung 1994 Verkehrszählungen durchgeführt, „die“, so Schulleiter Peter Sauer, „Erschreckendes zu Tage brachten“: In nur 20 Minuten rollten bis zu 150 Pkw die Chemnitzstraße entlang. Rollten, oder besser: rasten. Messungen zeigten, daß viele auch schon mal mit 60 km/h durch die Tempo-30-Zone bretterten. Unfälle blieben nicht aus: „Da ist im vorigen Jahr ein kleiner Junge angefahren worden“, erinnert sich der elfjährige Ahmed, der auf dem Schulhof mit seinem Fußball herumkickt.

Daß die Sperre längst nötig war, meint auch Arno Busse, Leiter der Altonaer Tiefbauabteilung. Im November 1994 gab das Bezirksamt grünes Licht für die Schranke, die inclusive Installation etwa 22.000 Mark kostet: „Das ist viel Geld, aber schließlich ist es auch keine Schranke von der Stange, sondern eine Einzelanfertigung“, so Busse.

Durchfahrt haben jetzt nur noch Kranken-, Notfall- und Feuerwehrwagen. Und natürlich die Müllabfuhr. Deren Privileg, die Schranke aufschließen zu können, machten sich gestern mittag auch gleich einige Verkehrssünder zunutze: Sie fuhren dem Müllwagen trotz wilder Drohungen und Verboten der Bediensteten einfach hinterher. „Hier brauchst du einen Schlips, damit du ernst genommen wirst“, resignierte ein Müllmann.