Deiche: Höher, breiter, teurer

■ Senat beschließt neues Hochwasserschutz-Programm / Sperrwerks-Lösung wurde verworfen / Überlaufpolder weiterhin ungewiß Von Silke Mertins

Die rigorose Beton-Lösung als Hochwasserschutz für Hamburg hat der Senat gestern verworfen: Bausenator Eugen Wagner (SPD) teilte auf der Landespressekonferenz mit, daß er höheren Deichen den Vorzug vor technisch aufwendigen Sperrwerken zu geben gedenke. Nicht nur seien Sperrwerke teurer und aufwendiger, sie seien außerdem ein technisches Risiko, weil noch zu unerprobt. Anders bei Deichen: Da weiß man, was man hat.

„Sicherheit hat Vorrang vor allen anderen Erwägungen“, so Wagner und räumt dem Hochwasserschutz auch „finanzielle Priorität“ ein. Trotz Ebbe in Hamburger Kassen sollen mit Hilfe des Bundes insgesamt 1,9 Milliarden Mark in den nächsten 15 Jahren in den Bau höherer Deiche fließen.

Die Entscheidung kommt nicht überraschend: Schon vor sechs Jahren hatte die Unabhängige Komission Sturmfluten ihren Bericht fertiggestellt, steigender Meeresspiegel und eine extreme Häufung von Sturmfluten in den vergangenen fünf Jahren haben dem Senat offensichtlich jetzt Dampf gemacht.

57 Kilometer Deiche – rund die Hälfte der gesamten Hochwasserschutzlinie – sollen allein in den nächsten drei Jahren in die Höhe getrieben werden. „Mindestens 58 Millionen Mark“ will der Bausenator 1996 aus dem Hamburger Etat lockermachen, um die Deiche auf bis zu neun Metern hochzuziehen und entsprechend zu verbreitern. Das entspricht einer durchschnittlichen Erhöhung von 80 Zentimetern.

Die Deiche einfach zu erhöhen, um der zurückschlagenden Natur in Form von sturmflutenden Wassermassen zu begegnen, trifft allerdings nicht die Wurzel des Problems. Eine der Ursachen, nämlich die Flußbegradigung und die mangelnden Überlaufpolder im Marschenland an der Unterelbe, sind damit nicht zu beheben. Verhandlungen mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind zwar im Gange, herausgekommen ist allerdings noch nichts. Es gäbe „keine klaren Aussagen zur Frage der Überlaufpolder“, mosert deshalb auch der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Bernd Reinert.

„Es kann nicht nur um Deicherhöhung gehen“, kritisiert die GALierin Antje Möller die Senatsentscheidung. „Eine Deicherhöhung sollte mit einer Rückdeichung gekoppelt werden. Doch die wurde offensichtlich hinten angestellt.“ Ökologisch sinnvoll sei nicht nur die Entscheidung für eine Deicherhöhung und gegen die Sperrwerke, sondern auch die Schaffung von Ausgleichsflächen, um den Eingriff in die Natur wiedergutzumachen.

Eine grün-ökologische Optik wird es aber auf jeden Fall geben: alle Deiche mit einer Asphaltabdeckung sollen im Rahmen der Erhöhung eine Grasoberfläche erhalten. Zur Freude der Schafe.