Kräuterquark heißt Aguua

■ Wenn ein zweieinhalb Jahre alter 19-Wörter-Sprach-Schatz sich partout nicht mit jedem unterhalten will, sorgt sich die Mutter Lisa Schönemann

Auch Fritzi wird irgendwann einmal sprechen lernen. Davon sind wir überzeugt. Schließlich können in unserem Kulturkreis die allermeisten Kinder ihre Muttersprache zur Verständigung benutzen. Die einen früher – die anderen später. Fritz ist jetzt zweieinhalb Jahre alt. Zur Zeit wird das neunzehnte Wort begrüßt, daß er freiwillig ausgespuckt hat. Allein, wir hatten zuerst keine Ahnung, was er damit meinte. Selbst ein geübter Zuhörer kann nicht auf Anhieb darauf kommen, daß „Aguua“ halt der Kräuterquark ist, den der Bub jeden Morgen auf seinem Frühstücksbrötchen zu Türmen und Pyramiden formt.

Die Bedeutungen der anderen achtzehn Wörter sind eher gewöhnlicher Natur. „Mama“ heißt die Versorgungsoffizierin, die um 6 Uhr in der Früh vor seinem Bett stramm steht. Mama II ist der Auswechselspieler und männliche Gegenpart, der besonders am Wochenende auftritt und später in „Babba“ umgetauft worden ist. „Aufi“ bedeutet nach Fritzis Vorstellung, daß es jetzt losgehen kann – egal, ob sich die anderen Familienmitglieder bereits mit der Karre die Treppe hinunter gequält haben oder nicht. „Wuff“ ist selbstverständlich Nachbars zotteliges Monster, das gern mal einen Igel verspeist, falls gerade kein Briefträger zur Hand ist.

„Mond“ und „Hase“ bedürfen ebensowenig einer Erläuterung wie „Ich“, das der Erstgeborene sicherlich groß schreiben würde. Mit „Eis“ und einem Dutzend anderer Begriffe mogelt er sich gut durch den Alltag. Während andere kleine Hosenscheißer in seinem Alter ihren Eltern bereits die Ohren abkauen, hält Fritz sich bedeckt.

Was sollen wir tun? Opa Berne um Rat fragen? Der Großvater mütterlicherseits hat verläßlich immer ein Patentrezept auf Lager. „Solange der Junge nicht Brot sagen will, gibt's halt keins“, so sein Tip. Fritzi läßt unsere Animationen in aller Gemütsruhe über sich ergehen und fragt sich, ob seine Vorturner bald müde werden. Soll er „Bro-ot“ sagen, perlt ihm ein freudiges „nee“ über die Lippen.

Ob uns eher der Großvater väterlicherseits aus der Patsche helfen kann? Er nimmt seinen Enkel grundsätzlich in Schutz und teilt umgehend mit, er wüßte gar nicht, wo das Problem liege. „Wir verstehen uns prima.“ Was tatsächlich stimmt. Der alte Herr redet auch nie ein Wort zuviel.

Schließlich hat uns die Erzieherin im Kindergarten prophezeit, Fritz würde schon nach kurzer Zeit unter ihren Fittichen in ganzen Sätzen die Weltlage erörtern. „Der hat alles fertig im Kopf“, sagt sie, „das sieht man doch.“ Seitdem hoffen wir auf den Tag, an dem wir nicht mehr bis zu den Tagesthemen zu warten brauchen, um auf dem Laufenden zu sein.

Neulich haben wir durch Zufall beobachtet, wie er mit seiner gleichaltrigen Freundin Amelie (“Alli“) auf dem Dachboden auf einer alten Matratze hockte und ihr aus einem Nachschlagewerk für medizinische Fachausdrücke vorlas. Das Mädchen konnte Fritz ohne Schwierigkeiten folgen...

„Der will sich eben nicht mit jedem unterhalten, dafür ist er nicht der Typ“, diagnostizierte ein hinzugezogener Psychologe, der den Sohn schon von Geburt an kennt. „Der sucht sich seine Leute aus.“ Wir Elternlehrlinge scheinen nicht zu dem erlauchten Kreis zu gehören.