Das Fischfang-Verfahren in der Justizbehörde

■ Abhöraffäre: Auch der Justizbehördensprecher wurde von der Staatsanwaltschaft belauscht / Telefonüberwachung durch fingierte Anzeige vom Strafvollzugsamt initiiert?

Die „Santa Fu“-Abhöraffäre zieht immer weitere Kreise. Nach taz-Informationen sind im Rahmen des Lauschangriffes gegen eine Vollzugshelferin, die mit dem „Santa Fu“-Insassenvertreter Armin Hockauf befreundet ist, nicht nur Telefonate des GAL-Justizreferenten Peter Mecklenburg abgehört und protokolliert worden, sondern auch Gespräche von Justizbehördensprecher Jürgen Weinert. Das belegen der taz hamburg vorliegende Abhörprotokolle und Verlaufsberichte.

So wurde unter anderem am 15. November 1994 ein Gespräch der Vollzugshelferin mit dem Vertrauen von Justizsenator Klaus Hardrath aufgezeichnet, in dem es um den Santa-Fu-Sicherheitsbeauftragten Hans Seemann ging – Seemann ist Verfechter eines restriktiven Strafvollzugs und setzt die Häftlinge gerne Strafverschärfungen aus. In dem abgehörten Gespräch hatte die Vollzugshelferin über Seemann geäußert, daß er langsam „Ameisen im Arsch kriegt, die alte Socke.“

Im Verlauf des weiteren Gesprächs äußerte Weinert, es müsse verhindert werden, daß sich Hardliner im Strafvollzugsamt breit machten und die liberale Politik des Senators torpedierten. Weinert riet Hockauf und seiner Freundin, daß der Insassenvertreter „aufpassen muß, daß ihm kein anderer was in die Zelle steckt.“

Wie berichtet, war die Telefonüberwachung im Oktober 1994 von Staatsanwalt Peter Stechmann angeordnet worden, nachdem eine angeblich „anonyme Anzeige“ eingegangen war, in der die Vollzugshelferin des Rauschgiftschmuggels bezichtigt wurde. Aus dem staatsanwaltschaftlichen Anfangsvermerk geht aber hervor, daß die Anzeige „initiiert“ worden ist und dem Anzeigenden vielmehr von Stechmann Vertraulichkeit zugesichert wurde. Mecklenburg: „Bei dem Anzeigenden handelt es sich nach Aktenlage um Seemann.“

Dieser habe das Verfahren offenkundig losgetreten, um eine Handhabe für einen Lauschangriff zu haben – das „typische Fischfangverfahren“, wie es Insider nennen – um Material von unliebsamen MitarbeiterInnen zu sammeln. Denn es sind nicht nur Telefonate aufgezeichnet worden, die etwas mit einem möglichen Rauschgiftdeal zu tun haben könnten, sondern überdies auch Gepräche des GALiers Mecklenburg, in denen Vorgehensweisen zwischen ihm und Hockauf zur Verbesserung der Haftbedingungen erörtert wurden.

Diese Wortprotokolle hatte Stechmann – laut der heutigen Ausgabe des Spiegel ein Freund Seemanns – dem Sicherheitschef zum Studium ein Wochenende lang überlassen, der sich sodann eine eigene Handakte anfertigte. Dieses Vorgehen ist vom Datenschutzbeauftragten als eindeutig „rechtswidrig“ klassifiziert worden. Resümee der Ermittlungen: Die Hockauf-Freundin hat niemals Drogen in den Knast geschmuggelt.

Die GAL hat inzwischen die Absetzung des Sicherheitschefs Seemann gefordert. Für Justizsenator Klaus Hardrath kein einfaches Unterfangen, weil er innerhalb des Strafvollzugsamtes mit einer regelrechten Hardliner-Clique konfrontiert ist.

Das zeigte sich auch am Donnerstag im Rechtsausschuß, als das Strafvollzugsamt Hardrath regelrecht auflaufen ließ: In einer schriftlichen Erklärung verteidigte nämlich das Amt die Abhöraktion, während sich der Senator bei seiner Vernehmung indirekt von dem Lauschangriff distanzierte.

Daß die politische Führung der Justizbehörde vom Strafvollzugsapparat in der Vergangenheit immer wieder sabotiert und gelinkt wurde, beklagte laut Spiegel auch die Ex-Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit nach ihrem Umzug nach Berlin. Die Strafvollzugsamts-Beamten hätten die Senatspolitik immer wieder boykottiert, Anordnungen über Hafterleichterungen seien ignoriert worden. Sie hatte nach Informationen der taz damals Seemann wegen seiner Machenschaften strafversetzt, im Zuge der Amtsübernahme durch Hardrath konnte sich der Hardliner aber wieder auf seinen Posten mogeln.

So kämpft auch der jetzige Justizsenator Hardrath gegen Windmühlen, wenn es darum geht, im Strafvollzug ein Methadon-Programm umzusetzen oder die Vergabe von Einwegspritzen an rauschgiftsüchtige Gefangene durchzusetzen. Kai von Appen