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Mehr als underwear

„Sinnlust“: Beim „Second Hand Modemarkt“ ist in, was bunt ist und nicht zusammenpaßt  ■ Von Elke Spanner

Den Geisha-Schirm trägt nicht sie, sondern er. Sie hat dafür eine Käseglocke auf dem Kopf. Helles, gackerndes Gekicher im Technosound gibt den Rhythmus vor, in dem die beiden tanzend umeinander turteln. Da taucht ein männlicher Engel ohne Haare, dafür auf Plateausohlen auf. Er flirtet mit einem Oben-ohne-Muskelmann, der in einen weißen, semitransparenten Glanzlackrock eingepackt ist, aus dem er wie Pillhuhn aus der Schale blickt. Rauch, Schnitt, Opernklänge. Das Publikum jubelt.

In ist, was bunt ist und möglichst nicht zusammenpaßt. Garniert mit etwas love and peace, haucht eine weibliche Stimme penetrant über die Lautsprecher, kann sowas gar „Sinnlust“ wecken. Die Models der gleichnamigen Show auf dem Second Hand Modemarkt in den Deichtorhallen bemühen sich redlich darum. Über 100 AusstellerInnen schaffen mit Klamotten, Modeschmuck und Handtaschen die Kulisse. Die Modenschau auf der Bühne zeigt Plastik, Fell und Neonfarben zum Anstarren, die Kleiderständer im Hintergrund die tragfähigen Varianten zum Anziehen. Durch die Gänge flaniert, wer interessiert ist an „Avantgarde News“. Die nämlich verspricht das Programm des Modemarktes. Noch bis Sonntag kann man sie sich in den Deichtorhallen abholen, in Form von „Designer Mode, Nostalgie oder Underwear“.

Es gibt weit mehr over- als underwear, und am schrillsten ist eigentlich die wear für ganz oben: Hüte, Hüte und Hüte. Mal heißen sie so, manchmal aber auch Perücke, Schute oder Schutenhaube, wie eine Ausstellung zur historischen Entwicklung der Kopfbedeckung aufklärt. Wußten Sie schon, daß zu Wellenfrisuren am besten kleine Hüte passen, schräg und keck? Frau kann auch ganze Zinnburgen auf dem Kopf tragen, wenn sie das aushält, oder auch Toastbrote aus Schaumstoff, wie man auf dem Second-Hand-Markt lernt.

Neben schriller Avantgarde kann man auch das klassische Second-Hand-Laden-Sortiment durchkämmen: Lederjacken, verwaschene Jeans, Trainingsjacken und Hippie-Shirts. Im Grunde gibt es hier nichts, was es nicht auch in Läden im Karolinenviertel gibt, aber hier gibt es das eben auch, und das macht den Modemarkt ja nicht weniger besuchenswert.

Deichtorhalle, bis Sonntag, Eintritt 12 Mark

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