■ Vorschlag
: Fremdheitsmodelle: Das Podewil zeigt "Europe In The Box"

Die Idee ist provozierend simpel. Im Zuge der allgegenwärtigen Migration geht auch die Kunst ins Exil. Fünf KünstlerInnen haben sich in London, Berlin, Krakau, Amsterdam und Madrid mit Fremdheit und Identität beschäftigt und ihre Eindrücke in einer Norm-Box verschickt. Fünfmal ein Kubikmeter Metropolenkultur versammeln sich nun im Foyer des Podewil, seltsam marginale Postkartengrüße. Kontext-Souvenirs. Nur die Londonerin Elizabeth-Jane Grose ist ganz im Ku'damm-Trash aus Porzellan-Dildos und Plastik-Hamburgern aufgegangen, den sie reliquienhaft über einen Stadtplan verteilt hat.

Ansonsten wurde streng entlang der Kiste gearbeitet: Der Holländer Rob van de Werdt fand an Madrid die Bars faszinierend und hat ein Espressosieb in eine Tischplatte montiert. Daneben steht ein schuhcremegroßer Topf mit vermengten Ölfarben, angeblich die Summe aller Farbtöne, die ihm auf den Bildern im Prado begegnet sind. Henrik Schrat aus Dresden wiederum hat sich mit Krakau beschäftigt, als Ergebnis ist die Box zum Kamin umgewandelt worden, mit schweren Betontüren. Es erinnert an Donald Judds Quader, doch dann ist da noch ein Pappschloß auf einem Pommeshügel im Ofen... Minimal art als Kulissenzauber. Ganz unironisch ist dagegen der Pole Kristof Klimek bei seinem Amsterdam-Trip vorgegangen. In einer Reihe aus Leuchtkästen sieht man eine auf Leinwand kopierte Kachel, die zwischen aufgespießten Styroporschälchen, die man aus der Fleischkühltruhe kennt, eher indifferent wirkt.

Mit viel Umsicht hat die in Berlin lebende Spanierin Sally Gutierrez schließlich ein Porträt von Bewohnern der Londoner Cromwell Road nachgezeichnet. Auf Umzugskisten liegen Fotoalben und alte Briefe verteilt, dazu läuft ein Band mit Interviews. Ältere Leute beklagen sich über den Wandel nach 45, als die Arbeiterschaft im Zuge der Modernisierung aus der City gedrängt wurde. Danach spricht die Sixties-Generation über ihr Leben mit den Beatles. Geändert hat sich in der Reihenhaussiedlung bis heute wenig: Immer noch dauert es 25 Jahre, bis alle Hypotheken abgezahlt sind. Die Verschränkung von Eigentum und Abhängigkeit erscheint absurd, sagt aber einiges über die Mühen der Seßhaftigkeit. Die KünstlerInnen dagegen sollen nach der Recherche wieder reisen: Für 1999 ist „Europe in The Box“ als Großprojekt in Weimar geplant. Harald Fricke

„Europe In The Box“, bis 27. 10., Mo.–Fr. 10–22 Uhr (heute 20–22 Uhr), Podewil, Klosterstraße 68/70.