Betr.: Fotografien von Brigitte Maria Mayer

Drei nackte Menschen in einem tiefen, blaugrünen Raum. Ein Mann liegt bäuchlings ausgestreckt am Boden, ein anderer kriecht auf Knien an der Wand entlang. Im Vordergrund steht Bernhard Minetti. Nach links gedreht, hat er beide Arme erhoben, der Mund ist zum Schrei geöffnet. Sieht er Unheil kommen und barmt um aller Leben? Oder hat die Schlacht schon stattgefunden, und er, der Täter, muß sich jetzt ergeben? Ein großer Schauspieler in einer noch größeren Pose. Aber ein Theaterfoto ist das nicht. Nichts deutet an, daß sich dieser Moment in einer Geschichte auflösen wollte. Die Tragik liegt in der Szene selbst. Im Licht, das Minettis Haar weiß leuchten läßt und die Schlaffheit seiner Schultern betont. Im Gegensatz zwischen der kräftigen Statur des knienden Mannes und seinem gesenkten Kopf.

Steht man in der Galerie Kyra Maralt vor dem Bild, schaut man, eine Spiegelung im Glas, selbst aus dem Blaugrün heraus. Ein Schatten von Wirklichkeit, gegen den sich Minettis Körper aber nur noch stärker abzuzeichnen scheint. „Grün I“ heißt diese Arbeit der 31jährigen Fotografin Brigitte Maria Mayer, und ihr Mann, Heiner Müller, notierte zum Thema: „Bei der Vorbeifahrt am Schloßpark Charlottenburg / plötzlich die Trauer/ GRÜN IST DIE FARBE DES UNHEILS Die Bäume/ gehören den Toten.“

Mayer inszeniert Situationen voller Pathos. Doch die Starre der Abgebildeten und die Entschiedenheit, mit der sie grafisch mal schlicht, mal sehr komplex in den umgebenden Raum komponiert wurden, nimmt dem Pathos jede moralische Verve. Der Mensch wird zur Figur, die Menschengruppe zum Ornament. Keine Psychologie, keine Suggestion. Gleichgültig scheint Mayer zu registrieren, was sie zuvor bis ins Detail ausgeklügelt hat. Etwa die Familienszene auf dem dunkelroten Samtläufer einer breiten Hoteltreppe. Marianne Hoppe posiert starr, aber kraftlos im Dunklen, langen Kleid in der Mitte. Ein Mann im Anzug sitzt ihr zu Füßen, zwei Frauen in weißen Blusen liegen hingestürzt ober- und unterhalb des Paares. Dem dekadent-bourgeoisen Anschein zum Trotz geht eine surreale Natürlichkeit von diesem Bild aus, gerade so, als gehörten alle fünf mit gleichem Recht zum Mobiliar. Auf anderen Fotos zitiert Mayer auf Polaroid Lichteffekte der Malerei: Transzendenz der Körper, samtene Konturen. Oder sie arrangiert nackte, weiße Körper plakativ im schwarz-roten Raum. Stärker jedoch sind die scheinbar szenischen Arrangements um berühmte Schauspieler. Unwillkürlich wird ein Identifikationsbedürfnis aktiviert, das die hermetische Formalisierung gleichzeitig zurückweist. Daß Einfühlung hier nicht zum Verständnis taugt, umweht diese Arbeiten wie ein Hauch von Antike. Petra Kohse

(Brigitte Maria Mayer: „Farb-Räume“, bis 16.11., Galerie Kyra Maralt, Leibnizstraße 60)