Seit wann kommt die Bank zum Kunden?

■ Direktbanken sind schwer im Kommen. Zwar können sie die "echten" Banken nicht ersetzen, aber immerhin sorgen sie für Innovationen - manchmal sogar zugunsten der Kundschaft. Teure Telefonate können alle

In den Halbzeitpausen wichtiger Fußballspiele stellen die Deutschen gern ihre Infrastruktur auf die Probe: Zunächst jagen sie hektoliterweise Wasser durch die Klospülungen, anschließend bereiten sie sich kleine Zwischenmahlzeiten in ihren Mikrowellengeräten und treiben so das Stromnetz an die Kapazitätsgrenze.

Und seit es Direktbanken gibt, verschieben sie während der Kickintervalle auch noch Unsummen von Geld. „In den fünfzehn Minuten Pause“, so Friedlies Reschke von der Bank Giro Tel, „brauchen wir jede Menge Leute“, alle siebzehn Plätze des „Call Centers“ in Hannover sind dann besetzt.

Damit steht das Unternehmen, eine Tochter der Berliner Bankgesellschaft und der Allbank, vor einem in der Finanzbranche relativ neuen Problem. Vor nicht allzu langer Zeit bestimmten nämlich die Banken noch ganz allein, wann sie mit ihren Kunden in Kontakt zu treten gewillt waren – und die wiederum fragten sich, weshalb ihre Kreditinstitute horrende Mieten für Filialen in besten City-Lagen blechen, wenn sie diese den größten Teil des Tages für den Publikumsverkehr einfach geschlossen halten.

Die Lösung dieses Widerspruchs liegt auf der Hand: Direktbanken benötigen keine Filialen und nur einen Bruchteil des bei herkömmlichen Geldhäusern nötigen Personals. Die daraus resultierenden Einsparungen können sie somit an die Kunden weitergeben, die obendrein noch den Vorteil genießen, ihren Finanzkram sogar vom Nachttisch aus erledigen zu können.

Trotzdem gibt es noch Menschen, die ohne ein solches Direktbank-Konto auszukommen glauben – und dafür auch durchaus ihre triftigen Gründe haben. Das wichtigste Motiv ist eher gefühlsbetont: Geldgeschäfte sind Vertrauenssache, und den persönlichen Umgang mit „ihrem“ Bankangestellten möchten viele Kunden einfach nicht missen. Bei einer Direktbank ist der regelmäßige Kontakt dagegen nicht nur organisatorisch unmöglich, sondern auch aus Sicherheitsgründen sogar unerwünscht. Hinzu kommt: Die meisten Mitarbeiter in den Telefonzentralen sind keine festangestellten Bankkaufleute, sondern Teilzeit- oder Aushilfskräfte. Mit einiger Sorge beobachten deshalb die Gewerkschaften die Personalpolitik der Branche. Auch die Filialbanken neigen nämlich dazu, wo irgend möglich ungelerntes Personal einzusetzen. Immerhin verhandeln sie aber noch mit den Arbeitnehmerorganisationen über die Bezahlung.

Die meisten Direktbanken dagegen wehren sich vehement gegen die Bildung von Betriebsräten und sind auch nicht Mitglied der Tarifgemeinschaft. Den „Weg hin zu amerikanischen Verhältnissen“ sieht darin Frank Wolf, Fachsekretär Banken beim Landesbezirk Berlin der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen.

Doch nicht nur der Arbeitnehmerflügel warnt vor Euphorie ob der scheinbar so zündenden Geschäftsidee. Auch die Geldunternehmen selbst gehen beileibe nicht davon aus, daß ihnen die Zukunft ganz allein gehören wird. Auf die traditionelle Hausbank wird man, da sind sich die Experten einig, für viele Geldgeschäfte auch in Zukunft nicht verzichten können.

Die Abwicklung am Telefon oder Computer scheidet schon dann aus, wenn eine größere Menge an Unterlagen notwendig ist. Von den zehn wichtigsten, derzeit aktiven Direktbanken, so eine Aufstellung des Wirtschaftsmagazins Impulse, führt nur die Hälfte Kredit- oder Bausparangebote, und nur eine – die Advance Bank – kann mit Beratung dienen.

Alle übrigen legen ihre Angebote ausschließlich in Form von Broschüren dar, aus denen Interessenten ohne fremde Hilfe auswählen müssen. „Der Kunde“, so Giro- Tel-Bankerin Reschke, „muß das Produkt selbst handlen können.“

So konzentriert man sich also vor allem auf überdurchschnittlich verzinste Sparkonten und – freilich nur in Form standardisierter Pakete – den Handel mit Wertpapieren. Doch auch hierfür scheint ein ordentlicher Markt vorhanden: Mindestens neun Millionen potentielle Kunden vermuten die Auguren der Marktforschung in Deutschland, Branchenoptimisten rechnen gar mit der doppelten Anzahl.

Kein Wunder also, daß sich die Wettbewerber derzeit eine regelrechte Werbeschlacht liefern. So einfach, wie es die plakativen Slogans der PR-Strategen Glauben machen wollen, ist die Angelegenheit allerdings kaum, denn selbst der scheinbar so offenkundige Kostenvorteil verringert sich bei näherer Betrachtung ganz erheblich. Nicht nur die Berliner Stiftung Warentest rät deshalb zum sorgfältigen Vergleich. Die konkurrenzlos billigen Kontoführungsgebühren beispielsweise können sehr leicht wieder wettgemacht werden, wenn eine Bank keine verbilligte Servicenummer (am besten beginnend mit „0130“) für die telefonische Kontaktaufnahme bereitstellt. Auch die Abhebung von Bargeld – für Direktbank-Kunden nur am Automaten möglich – kann teuer werden. Die Konditionen schwanken erheblich, am übersichtlichsten sind sie bei der Bank 24 und der comdirect bank. Beide sind Gründungen von bundesweit vertretenen Filialbanken (Deutsche Bank beziehungsweise Commerzbank), die ihr Automatennetz zur Verfügung stellen. Eine etwas skurrile Konstellation, denn letztlich fördern sie damit die unternehmensinterne Konkurrenz: je besser die Konditionen, um so eher wechselt die Kundschaft von der Mutter- zur Tochtergesellschaft. Die aber muß dann mit weniger Konten das kostenaufwendige Filialnetz unterhalten.

Mittlerweile gibt es aber auch den umgekehrten Trend: Die Deutsche Bank hat angekündigt, demnächst Bankingshops in Supermärkten zu eröffnen. Andere Häuser reagieren mit längeren Öffnungszeiten auf die neuen Wettbewerber, und Telefon- oder Computerbanking gehört ohnehin längst zum Standard. Man darf sich also nicht wundern, wenn die Direktbanken eines Tages mit einer ganz revolutionären Idee kontern: „Personal-Banking – die Bank, bei der Sie vorbeischauen können.“ Jochen Siemer