Isabel und die Grundbesitzer

Rutschende Müllkippen hier, privatisierte Stauseen da: Die erste spanische Umweltministerin in den Zeiten der leeren Kassen  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Voller Stolz präsentierte Spaniens Regierungschef José María Aznar bei seinem Amtsantritt im Mai ein neugegründetes Umweltministerium. Isabel Tocino, 47jährige Doktorin für Nuklearrecht und Autorin verschiedener Unbedenklichkeitsgutachten für AKW- Betreiber, wurde mit dem Ressort betraut. Sie soll den Konservativen den so dringend benötigten modernen Touch verleihen, doch mehr auch nicht – wie die Zahlen im Haushalt für 1997 zeigen.

Das Vorzeigeministerium muß künftig mit 25 Prozent weniger Mitteln auskommen, als seine Vorgängerinstitution unter den Sozialisten von Felipe González – eine einfache Abteilung des Ministeriums für öffentliche Arbeiten und Transport. Nur ein Topf weist einen deutlichen Zuwachs auf: Großgrundbesitzer, deren Güter in einem Naturschutzgebiet liegen, sollen besser als bisher für entstandene Produktionsausfälle entschädigt werden. Dafür ist sechsmal so viel Geld vorgesehen als noch vor einem Jahr.

Um dennoch den anstehenden Aufgaben gerecht zu werden, sollen künftig verschiedene Projekte des Umweltministeriums privat finanziert werden. Vor allem bei der Wasserversorgung bedeutet das schon bald: Stauseen und Leitungen in Privatbesitz. Opposition und Ökobewegung befürchten einen entscheidenden Preisanstieg bei der so wichtigen Grundversorgung der Bevölkerung und werfen Isabel Tocino eine zu unternehmerfreundliche Politik vor.

Die Umweltgruppen fühlen sich übergangen. Während die Sozialisten sie zum Beispiel an der Diskussion über Müll und Recycling beteiligten, wurden sie von den Konservativen nicht einmal um Rat gefragt. Das neue Recyclinggesetz für Kunststoffe fällt somit weit hinter die letzten Pläne der Vorgängerregierung zurück. Der Gesetzesentwurf der Sozialisten sah für die nächsten fünf Jahre eine 20prozentige Senkung des PVC- haltigen Mülls und zehn Prozent weniger beim übrigen Verpackungsmaterial vor.

Wie zur Strafe rutschen Ministerin Tocino seit einigen Wochen die Müllberge regelrecht auf den Schreibtisch. Im nordspanischen La Coruña geriet Mitte letzten Monats eine 100.000 Tonnen fassende Mülldeponie in Bewegung und droht ins Meer zu stürzen. Tocino reiste schnell an den Ort des Geschehens. Allerdings nur für ein Familienfoto. Den Bürgermeister der Atlantikstadt, Francisco Vázquez, der sich von Madrid eine finanzielle Unterstützung bei der 25 Millionen Mark teuren Sanierung der Müllkippe erhoffte, mußte Isabel Tocino leider enttäuschen: „Ich bin keine Zauberfee“, beschied sie kurz. La Coruña ist dabei nur die Spitze eines Eisberges. Auch aus anderen Städten werden Risse in den Deponien gemeldet. Zuletzt aus Ceuta, einer spanischen Enklave an der Nordküste Afrikas. Nur 121 spanische Müllhalden verfügen überhaupt über die notwendigen Papiere und damit über ein Mindestmaß an Sicherheitsvorkehrungen. Die restlichen knapp 8.000 Hausmülldeponien wurden von den Gemeinden wild in die Landschaft gekippt und gefährden somit das Grundwasser.

Beim Industriemüll sieht es nicht besser aus. Ein Drittel der 3,5 Millionen Tonnen Industriemüll wird ohne sachgerechte Behandlung entsorgt. Ein Bericht aus dem Vorjahr stuft 4.500 Industriemüllhalden als hochgefährlich ein. 25 Prozent davon sind weniger als 100 Meter von der nächsten Ortschaft und die Hälfte weniger als 50 Meter vom nächsten Fluß entfernt. 40 Prozent befinden sich zudem auf hochgradig wasserdurchlässigem Boden. Für eine sachgerechte Sanierung wären drei Milliarden Mark nötig – Geld, über das Ministerin Tocino nicht verfügt.

Nur bei einem Thema konnte die frischgebackene Ministerin die Ökobewegung bisher zufriedenstellen – beim Wasser. Tocino setzt auf Wassersparen anstatt auf neue gigantische Staudammprojekte wie ihre sozialistischen Vorgänger. Als Vorbild dient Kalifornien. Wie in Spanien auch herrscht dort chronischer Wassermangel und 80 Prozent des Verbrauches gehen in die Landwirtschaft. Um die Endverbraucher zum sparsamen Umgang mit dem kostbaren Naß zu zwingen, entwarfen die Wasserwerke des südlichen US- Bundesstaates vor 20 Jahren Pläne zur Wassereinsparung. Das Herzstück, eine staatliche Wasserbank: Je knapper das Wasser, um so höher die Preise. Die Landwirte konnten so zur Modernisierung der Bewässerungsanlagen gezwungen werden, die Nachfrage ging erheblich zurück.