Südafrikas Musterprozeß endet mit einem Freispruch. Der ehemalige südafrikanische Verteidigungsminister Magnus Malan darf den Gerichtssaal als freier Mann verlassen. Richter Jan Hugo wirft der Staatsanwaltschaft vor, den Fall unzureichend aufgearbeitet zu haben Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Terror und Mord bleiben ungesühnt in Südafrika

In den Morgenstunden des 21. Januar 1987 wurde Anna Khumalo duch ungewohnte Geräusche geweckt. Gewehrfeuer und Explosionen dröhnten durch das Haus im Township Kwa Makutha, 30 Kilometer südlich der Hafenstadt Durban. In panischer Angst versuchten die Menschen sich in Sicherheit zu bringen. Anna Khumalo wurde in dem Durcheinander mit ihrem vierjährigen Sohn in einen Schrank gestoßen. Das rettete ihr das Leben. Erst am späten Nachmittag wagte sie es, ihr Versteck zu verlassen. „Ich sah Unmengen von Blut. Überall lagen Leute herum, die keinen Mucks von sich gaben.“

13 Frauen und Kinder waren vermutlich von einer Todesschwadron der Inkatha-Freiheitspartei (IFP) ermordet worden. Die Opfer waren nur zufällig anwesend. Das eigentliche Ziel des Anschlages, der Oppositionelle Victor Ntuli, war während des Überfalls nicht zu Hause. Er kam drei Jahre später bei einem Attentat ums Leben. Das Massaker wurde nie aufgeklärt – und wird es voraussichtlich auch nie werden. Denn der darum angestrengte Prozeß endete gestern vor dem Obersten Gerichtshof in Durban mit einem Freispruch für alle Angeklagten, darunter den ehemaligen Verteidigungsminister Magnus Malan.

Angeklagt waren neben Malan ehemalige prominente Generäle der südafrikanischen Armee, einige weniger ranghohe Mitarbeiter des militärischen Geheimdienstes und Mitglieder der Inkatha-Freiheitspartei. In dem Prozeß ging es um den Nachweis, daß innerhalb der alten südafrikanischen Sicherheitskräfte eine sogenannte Third Force bestand, die politische Gewalt nicht nur nicht verhinderte, sondern selbst ausübte und dabei eng mit Inkatha kollaborierte. Von zentraler Bedeutung war dabei die Frage, inwiefern die Verantwortlichen in Polizei, Militär und der Regierung davon wußten und ob sie entsprechende Befehle erteilten.

Allein in der Krisenprovinz Kwa Zulu/Natal, in der auch der Prozeß stattfand, kamen seit Mitte der 80er Jahre in den blutigen Konflikten zwischen Anhängern von ANC und IFP mehr als 15.000 Menschen ums Leben. Nach den ersten demokratischen Wahlen im April 1994 ging in ganz Südafrika die politische Gewalt fast schlagartig zurück – mit Ausnahme von Kwa Zulu/Natal. Dort wurde deshalb eine Sondereinheit der Polizei eingesetzt, die die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Militär und Inkatha untersuchen sollte.

Die Recherchen führten dazu, daß der Generalstaatsanwalt der Provinz, Tim McNally, Anklage erhob. Als er Ende vergangenen Jahres Haftbefehl gegen Malan und die anderen Generäle erließ, wollte das burische Establishment es kaum glauben. Bis hinauf zum Expräsidenten Pieter Willem Botha versuchten Mitglieder der Nationalen Partei, Präsident Nelson Mandela zu einem Eingreifen zu bewegen. Der lehnte ab mit der Begründung, im neuen Südafrika sei die Justiz unabhängig.

McNally ging in der Anklage davon aus, daß das Massaker von Kwa Makutha Ergebnis einer Verschwörung innerhalb der Armee war. Sie soll Mitglieder der Inkatha-Freiheitspartei ausgebildet haben, um politische Gegner zu ermorden – und zwar auf Bitten von Buthelezi. Als Ministerpräsident des damaligen Homelands Kwa Zulu soll er im Oktober 1985 die südafrikanische Regierung um Hilfe gebeten haben, eine paramilitärische Schutztruppe aufzubauen, weil er sich von ANC-Anhängern bedroht fühlte.

Der sogenannte Staatssicherheitsrat, eine Art konspirative Nebenregierung, gab grünes Licht und rief die „Operation Marion“ ins Leben. 207 IFP-Mitglieder wurden ins heutige Namibia gebracht und von der südafrikanischen Armee paramilitärisch ausgebildet. Die Kronzeugen der Anklage, zwei der Ausbilder im „Camp Hippo“, bestätigten diese Vorwürfe. Gezielt sollen die Männer nach Angaben von Major Johan Opperman darauf getrimmt worden sein, politische Gegner umzubringen. Er war später auch an dem Massaker beteiligt und gab vor Gericht zu, ein Mörder zu sein.

Die sechs Inkatha-Mitglieder indessen, die bereits am Donnerstag für unschuldig befunden wurden, behaupteten vor Gericht, ihres Wissens nach seien sie zu Polizisten ausgebildet worden. Nach ihrer Rückkehr in die Provinz Kwa Zulu/Natal saßen die Männer untätig herum. Ein weiterer Angeklagter und enger Vertrauter Buthelezis, der stellvertretende IFP- Generalsekretär Zakhele Khumalo, soll daraufhin von der Armee die Erlaubnis für Operationen erhalten haben. Das Massaker von Kwa Makutha soll der erste Einsatz der Killertruppe gewesen sein. Das Gericht sah es jedoch nicht einmal als erwiesen an, daß die sechs Männer überhaupt daran beteiligt waren.

Bereits in seinen einleitenden Sätzen zerpflückte der Vorsitzende Richter Jan Hugo die Anklage so sehr, daß rasch klar war, in welche Richtung sein Urteil laufen würde: Der wichtigste Kronzeuge der Anklage, Johan Opperman, sei ein Lügner. Alle drei Kronzeugen seien selbst „bekennende Kriminelle“ und von daher vollkommen unglaubwürdig, und die Anklage habe es versäumt, weitere Zeugen zu bestellen, die deren Aussagen unterstützten. Während alle Angeklagten jetzt frei nach Hause gehen, werden nun die Kronzeugen strafrechtlich verfolgt.