Zitterpartie mit Heino

■ TuS Walle-Handballerinnen sind jetzt in der Champions League

„Blau, blau, blau blüht der Enzian!“ 22mal malträtierte der Hallensprecher Samstagabend die knapp 3.000 ZuschauerInnen in der Stadthalle mit Heino – zu jedem Tor der Heimmannschaft. Dann war der TuS Walle in der Champions League. Mit 22:15 schlugen die Bremer Handballerinnen in der Qualifikation „Rotor Wolgograd“. Und sind damit, nach dem 22:20-Sieg vom Hinspiel, eine Runde weiter.

Doch trotz des klaren Resultats war es eine reine Zitterpartie. Zwischen Warmmachen und Halbzeitpfiff klappte bei Walle eigentlich nur eins – das Abklatschen vorm Anpfiff. Zweierwechsel (plötzlicher Positionstausch mit Ballabgabe, d. Red.) gingen daneben, Schritt- sowie Fangfehler zeugten von Nervosität. Und dann waren da noch die Russinnen. In arg überdimensionierten Hosen wirkten sie den Bremerinnen körperlich haushoch überlegen. Als dann auch noch das dänische Schiedsrichterpärchen anfing, prorussisch zu flöten, wurde es still bei den Fans.

Während zwei Zeitstrafen ab der 13. Minute sahen sich dadurch plötzlich vier Wallerinnen sechs Frauen von „Rotor“ gegenüber. Die nutzten ihre Chance und machten prompt den Zwei-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel wett, zogen davon zum 7:9 in der 22. Minute.

Aber gegnerische Hosen oder dänische Schiedsrichter als Entschuldigung zu bemühen, wäre arg lächerlich. Nein, da müssen sich die Walle-Damen an die eigene Nase fassen. Lediglich Birgit Wagner, Rechtsaußen, verstand es, Akzente zu setzen. Unermüdlich ackerte sie in ihrer Hallenecke. Sie war es auch, die die ZuschauerInnen aus der Lethargie riß: So etwa in der 11. Minute, als sie „Rotors“ Torfrau Irene Jabko mit einem herrlichen Seitfallwurf verlud, die wohl mit allem rechnete – nicht aber mit einem Heber. Fazit: Walle führte zur Pause mit 10:9.

Was in der zweiten Halbzeit passierte, läßt sich so umschreiben: Lang sollen die beiden Waller Torfrauen Sabine Adamik und Silke Christiansen sowie die Parkettarti-stinnen Dagmar Stelberg und Csilla Dolmany leben. Vor allem letztere kapierte offensichtlich so irgendwann in der 45. Minute: Das hier ist Handball, nicht Minigolf.

Danach sprühte Csilla Dolmany förmlich vor Angriffslust. Sie selbst traf zwar nur einmal. Aber: Sie schuf die Freiräume, die Spielmacherin Dagmar Stelberg brauchte, um die russische Torfrau zur Verzweiflung zu treiben. Bis sie dann quasi fraugedeckt wurde. Aber da hatte Dagmar Stelberg inzwischen zu alter Form gefunden und avancierte mit sechs Treffern zur erfolgreichsten Spielerin.

Sie war es auch, die das schönste Tor warf – in der Schlußminute per Kempa-Trick (Ball in Luft fangen und sofort abziehen, d. Red.). Natürlich auf Anspiel von? Na? Logisch, von Csilla Dolmany. Toll auch das Tor von Klara Orban (39. Minute): Abspringen, sich in der Luft drehen und den Ball gemein hinterm Rücken zu verwandeln, ist wirklich nicht nett. Die ZuschauerInnen fanden's aber riesig.

Wie geht's jetzt weiter beim TuS Walle? Am Mittwoch ist in Wien die Auslosung zur nächsten Champions-League-Runde. Walle steht damit vor drei Auswärts- und drei Heimspielen. Kommen sie in ihrer Vierergruppe unter die ersten Zwei, stehen sie im Achtelfinale. Dann geht's weiter im K.O.-System.

Aber das bereitet Manager Hans-Herbert Ludolf Kopfschmerzen. „Ich habe den Sieg mit einem lachenden und einem weinenden Auge gesehen“, meinte er nach dem Spiel. Grund: Walle fehlen weitere Sponsoren. Auch hätte man sich über noch mehr Fans und damit mehr Einnahmen gefreut. „Denn wie wir den Europapokal nun weiter finanzieren sollen, ist mir zur Zeit noch ein Rätsel“, so Ludolf. Problem: Treten die Wallerinnen aus finanziellen Gründen von der europäischen Bühne ab, drohen ihnen zwei Jahre Sperre.

Das wäre fatal. Nicht nur für den Verein. Nein, auch für Bremen. Präsentieren die Handballdamen die Hansestadt doch immerhin mindestens dreimal international und bringen dreimal entsprechenden sportlichen Flair in die Stadt.

P.S.: Die Jungs vom TV Grambke, die im Anschluß an die Damen spielten, besiegten Altenholz 25:22. Jens Tittmann