Schiff ahoi! - Eine Kunstcrew kentert nie

■ In der Werkstatt-Galerie begeben sich „Fehrfeld-Studios & friends“ auf große Fahrt

Wissen Sie noch? Wie Grete aus Gretsiel dem geheimen Männlichkeitsritual ihrer Nachbarn auf die Spur kam? Und wie die Erde sich ersäufen wollte und es nur mit knapper Not gelang, das drohende Unheil am Weserwehr abzuwenden? Seit mittlerweile fast zehn Jahren erzählen die Filmemacher der Bremer „Fehrfeld-Studios“ Geschichten aus unserem absurden Alltag. Mit ihren Streifen gelingt ihnen zwar nicht der große Durchbruch in Hollywood, aber die dadaistisch angehauchten Filmen laufen mit großem Erfolg bei größeren und kleineren Filmfesten. Eine Tradition, die verpflichtet – und die neugierig macht auf die Ausstellung „Fehrfeld-Studios & friends“, die am Freitagabend in der Bremer Werkstatt-Galerie eröffnet worden ist.

Auf der Einladungskarte schwimmt ein dickbäuchiges Schiff in einem fischreichen Meer. Auf seinen Ober- und Unterdecks tummelt sich die Besatzung beim Filmen, beim Malen, beim Kleine-Kinder-Hüten und beim Löcher-in-die-Schiffswand-Bohren: Die Fehrfeld-Studios nicht nur als Flaggschiff für Filmemacher, sondern auch als Hausboot für befreundete konstruktive wie destruktive Talente?

Auf dem Weg zur Werkstatt-Galerie im „Güldenhaus“, der ehemaligen Schnapsfabrik, fühlt sich der Besucher tatsächlich wie in einem Schiffsbauch: Über lange Gänge und steile Treppen, vorbei an verrammelten Türen, gelangt er in einen großen, etwas verwinkelten Raum, der angefüllt ist mit Kunst jeder Art. Neben Fotografien, Holzschnitten und Zeichnungen stehen kinetische Objekte zur Selbstbedienung zur Verfügung. An den Wänden laufen Kratz- und Krümelfil-me, in denen die Staubkörner von unerwünschten Komparsen zu hektischen Hauptdar-stellern avanciert sind. Mittendrin schwebt ein Objekt von seltsamer Schönheit: Über den Köpfen der Besucher leuchtet ein Gelber Sack und begeistert die Besucher für eine Farbe, die sie bisher nur mit angegammelten Joghurtbechern assoziiert haben. Aufgebläht von der Wärme eines unter ihm plazierten Toasters und von mehreren dünnen Drähten in der Bahn gehalten, steigt er langsam zur Decke auf. Dort kühlt er nach einer Weile ab, sinkt elegant zu Boden, und das Ganze beginnt von vorn.

Um das von Andreas Lutter konstruierte Ensemble herum wird es bald eng. Schon kurz nach Einlaß ist die Galerie proppenvoll. Jeder kennt hier jeden, die Bremer Szene bleibt unter sich und zelebriert die Einheit von Kunst und Leben: Isa Fischer trägt die Blechfische ihrer Skulpturen auch als Ohrringe, Gilbert Wolter verwendet seine übermalten Glühbirnen mit Hilfe einer Taschenbatterie auch als Kragenschmuck. Die Schiffsbesatzung präsentiert sich als Großfamilie. Verwandte und Freunde haben sich etwas mitgebracht: „Meine Erinnerungen“, „Geburtstag“, „Eberhard und seiner kleiner Freund“ lauten die Titel ihrer Arbeiten.

In der „Fehrfeld-Studios & friends“-Ausstellung kann jedes (wahl-)verwandte Familienmitglied zeigen, was es will, ohne vorangegangene Auswahl. Das führt zu großen Qualitätsunterschieden – wie zwischen Astrid Oses unkomischen „Schnecken im Weltraum“ und Ali Eichelbachs sehr komischem „Exposé für einen noch zu fördernden Trickfilm“. Insgesamt muß man die Ausstellung wohl als Nebenprodukt des Familientreffens bewerten. Ein Urteil nur nach ästhetischen Maßstäben würde angesichts ihrer Beliebigkeit ziemlich ungnädig ausfallen und träfe wohl auch gar nicht die Intention der Veranstalter. Ihnen scheint es am wichtigsten zu sein, daß sich alle miteinander „Auf großer Fahrt“ befinden. Nur dann gelingen Unternehmungen wie das „Perforierte-Partikel-Projektions-Projekt“, das zur Zeit in der Städtischen Galerie zu sehen ist, und Hans Joachim Hofmanns auf 800 Folgen angelegte Cultorgie „Die Hafenpiraten“, in der sich Kapitän Alonso und sein Kumpan Emil auf den Weg nach Bremen machen, um in das Staatssäckel große Lücken, dem selbstzufriedenen Bürgertum die Maske vom Gesicht und die Zuschauer einmal mehr von den Sitzen zu reißen. In diesem Sinne: Schiff ahoi!

Anja Robert

Werkstatt Galerie, Neustadtswall 61a, Öffnungszeiten: Di + Mi 14 – 19Uhr, Do + Fr 10 – 14Uhr, noch bis zum 1. 11. 1996