In Euphorie verzettelt

■ Der Weg der „Deutsche Systemtechnik“ (DST) von der Rüstungstechnik in die Pleite

Einst galt die High-Tech-Firma DST Deutsche Systemtechnik als Musterbetrieb der Konversion und war führend beim entschlossenen Umstieg von Rüstungstechnik auf Produkte für zivile Märkte. Öffentlich sichtbares Zeichen für die neue Zeit sind zum Beispiel die Fahrgast-Info-Boxen der DST auf vielen Bahnhöfen. Heute sind die Tüftler aus Osterholz und Kiel nur noch zu 35 Prozent von den Orders der Militärs abhängig. Und sie sind pleite. In der vergangenen Woche stellten die Chefs Vergleichsantrag beim Amtsgericht. Ist die Konversion gescheitert?

„Wenn wir weiter nur auf Rüstung gesetzt hätten, wären wir schon tot“, ist Hans-Jörg Zobel überzeugt. Der DST-Manager hatte 1990 mit einem Kollegen in einem „Management buy out“ die vom Philips-Konzern losgelöste Rüstungssparte übernommen. Zu 90 Prozent war der Laden damals von den Beschaffungsoffizieren der Bundeswehr und anderen NATO-Armeen abhängig. Nachtsichtgeräte, Kommunikationstechnik für U-Boote und Führungssysteme für die Streitkräfte wurden bei DST in hoher Qualität entwickelt und zu Zeiten des Kalten Krieges teuer bezahlt. Export war verboten. Der lief über andere Philips-Firmen.

70 Millionen Mark investierte die DST laut Zobel in den Umstieg. Dennoch, so räumt der Manager ein, die alte Denke der Bürokraten und Techniker ohne Sicht für Marktchancen lebte weiter.

Der Bremer Konversionsbeauftragte Wolfgang Elsner hat den Weg der DST eng begleitet und mit etwa vier Millionen Mark aus Landesmitteln und dem Brüsseler Konversionshilfe-Fonds gefördert. „Das Konversionskonzept der DST von 1993 war das beste, was ich je gesehen habe“, lobt der Professor. Aber auch Elsner weiß nicht, wie es DST gehen würde, wenn sie weiter auf die Militärs gesetzt hätte mit der Hoffnung, sich vom kleiner gewordenen Rüstungskuchen ein größeres Stück zu sichern.

Fehler auf dem Weg in zivile Märkte räumen sowohl DST als auch Elsner freimütig ein. Sie hätten sich in der Fülle der technischen Möglichkeiten ihrer hochqualifizierten Ingenieure verzettelt. In bis zu 16 Geschäftsfeldern hatte sich DST getummelt. Erst jetzt ist die Organisation gestrafft. Fünf Geschäftsbereiche arbeiten als eigenständige Profit-Center: Verkehr mit den Fahrgastinformationsystemen und Leitsystemen für Bahn und ÖPNV. Produktion, in der etwa spezielle Teile für die Fertigungsstraßen der Auto-Industrie hergestellt werden. Industrie/Umwelt mit der Prüf- und Meßtechnik. Marine mit der Schiffskommunikation und U-Boottechnik sowie schließlich Heer/Luftwaffe, die sich etwa mit der Entwicklung von optischen Ortungssystemen für feindliche Artillerie beschäftigt.

Zu spät habe man sich auf Produkte konzentriert, die auch Geld einbringen, sagt Zobel heute. „Unsere Produkte waren eben oft 50 Prozent besser als die der Konkurrenz, aber eben auch 100 Prozent teurer“. Ein Beispiel: DST hatte eine hochsensible Altpapier-Sortiermaschine entwickelt. Aber die Maschine arbeitet nur in einem staubfreien Raum. Das ist für potentielle Kunden nicht zu bezahlen.

Weiteres prominentes Produkt der DST ist das in Bremen eingesetzte Codierungssystem für Mülltonnen. Aber auch da setzt der Markt Grenzen. Denn, so heißt es bei DST, die kommunalen Müllentsorger hätten zumeist nicht genug Interesse daran, ihre Arbeit mit Hilfe des Systems effizienter zu machen. Denn die unkündbaren Mitarbeiter hätten sie sowieso.

Professor Wolfgang Elsner sieht das Hauptproblem der DST in der Abhängigkeit von öffentlichen Auftraggebern. „Das sind unsolide Geschäftspartner geworden“, schimpft Elsner. Bonn, Unternehmen wie die Bahn oder die Kommunen trieben mit ihren kurzfristigen Haushaltskürzungen Unternehmen wie DST in den Ruin. Gerade kleinere Firmen könnten sich nicht auf die plötzlichen Sinneswandel in der Politik und in den Amtsstuben einstellen. Elsner fordert darum eine koordinierte „High-Tech-Beschaffungspolitik als Industriepolitik“. Das sei sinnvoller als die Bankenschelte, in die auch die Politik nach der Kreditkürzung der Banken für DST eingestimmt hatten.

Joachim Fahrun