Bayerische Richter lassen Umweltsünder laufen

■ Für die Ablagerung von Sondermüll in einem Landschaftsschutzgebiet bekam ein Angeklagter 18 Monate Haft auf Bewährung. Der andere wurde freigesprochen

Aschaffenburg (taz) – Das Urteil fiel extrem milde aus: Das Abkippen von 40.000 Tonnen geschredderten Elektronikschrotts in einem bayerischen Landschaftsschutzgebiet kostet Folkhard Kaess eineinhalb Jahre Knast – ausgesetzt zur Bewährung. Er war als Projektleiter einer Sand- und Kiesfirma hauptverantwortlich für die Verseuchung des Lindigswalds in Kleinostheim bei Aschaffenburg. Klaus Schultz, Juniorchef der Schultz GmbH, konnte den Gerichtssaal am Donnerstag nachmittag sogar als freier Mann verlassen. Er hatte alle Schuld auf seinen, inzwischen verstorbenen Vater geschoben, und das Gericht machte sich seine Verteidigungslinie zu eigen. Demnach war der Senior der „alleinige Herrscher“ über die Kiesgrube, die eigentlich mit Muttererde aufgefüllt werden sollte.

Helle Empörung rief das Urteil bei den Prozeßbeobachtern vom BUND-Naturschutz, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und den Bündnisgrünen hervor. Eduard Bernhard, Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe Aschaffenburg und Vorstandsmitglied des BBU, sprach von einem „rabenschwarzen Tag für die Umwelt“. Das Urteil komme einer „Einladung zur Nachahmung an kriminelle Unternehmen“ gleich, Giftmüll weiter in der Natur zu entsorgen. Immerhin habe es sich bei der betroffenen Region um ein Gebiet gehandelt, das als „Bannwald“ firmieren sollte – die zweithöchste Schutzstufe für eine Landschaft.

Bezahlt für die laufenden Sanierungsmaßnahmen im Lindigswaldgebiet hat bisher indirekt der Steuerzahler. Grundstückseigentümer sind nämlich die Deutsche Bahn AG, die noch immer zu 100 Prozent dem Bund gehört, und das Stiftungsamt Aschaffenburg, das von Bayern finanziert wird. Die notwendigen Sanierungsmaßnahmen werden nach Einschätzung von Experten etwa 23 Millionen Mark kosten.

Besonders verbittert hat die Umweltschützer, daß Kaess bei Gericht kein Unbekannter ist und die Strafe dennoch so lächerlich niedrig ausfiel. In Bayern würden „die Uhren offenbar noch immer anders gehen“, so sinnierte Eduard Bernhard. Schon vor einem Jahr seien ein Transportunternehmer und ein Kiesgrubenbetreiber, die illegal 1.660 Tonnen PCP-belasteten Schredderschrott in einer Kiesgrube bei Stockstadt verbuddelt hatten, lediglich zur Zahlung von je 5.000 DM Geldstrafe verurteilt worden. kpk