Volker Rühes Elitetruppe unter Beschuß

Kommando-Spezial-Kräfte heißt die neue Sondereinsatztruppe. Sie soll, wenn es brennt, in ausländischen Krisengebieten kurzfristig intervenieren. Aber die rechtlichen Grundlagen sind unklar  ■ Von Dieter Rulff

Berlin (taz) – Heeresinspekteur Helmut Willmann hat präzise Vorstellungen von der zukünftigen Elitetruppe der Bundeswehr: Der ideale KSK-(Kommando-Spezial- Kräfte)Mann ist „intelligent, robust und teamfähig“. Bis Mitte September hatten bereits 20 Berufs- und Zeitsoldaten dieses Anforderungsprofil erfüllt. Sie werden derzeit in der Graf-Zeppelin- Kaserne in Calw trainiert. Dem KSK werden überwiegend Fallschirmjäger, Fernspäher, Heeresflieger und Luftstreitkräfte angehören. Zu ihrem Auftrag gehören nach den Vorstellungen von Verteidigungsminister Volker Rühe:

„– Gewinnung von wichtigen Informationen in Krisen- und Konfliktgebieten,

– Schutz eigener Kräfte und Personen in besonderer Lage,

– Rettung und Evakuierung deutscher Staatsbürger in besonderer Lage,

– Abwehr terroristischer Bedrohung, Kampf gegen subversive Kräfte sowie verdeckte Operationen im Aufgabenbereich der Streitkräfte,

– im Falle Landes-/ Bündnisverteidigung Kampfeinsätze auch im gegnerischen Gebiet, einschließlich der Lähmung und Zerstörung wichtiger Objekte.“

Bis zum Jahr 2000 soll das KSK auf seine Sollstärke von 1.000 Mann anwachsen, untergliedert in vier Kommando- und eine Fernspähkompanie.

So präzise die Anforderungen an die Kämpfer, so unklar ist die rechtliche Grundlage ihres Einsatzes. Denn der Kampfauftrag ergeht mitunter kurzfristig, und das Operationsgebiet ist manchmal ein gesetzliches Graufeld. Die Oppositionsparteien melden nun Bedenken an. Sie wurden aufgeschreckt, als Willmann bei der Präsentation der Truppe Mitte September so nebenbei erklärte, bei einem Evakuierungseinsatz könne es sein, daß die Parlamentarier nicht mehr zeitgemäß beteiligt werden könnten. Die SPD forderte daraufhin präzise Festschreibungen in einem „Beteiligungsgesetz“. Das wird allerdings im Verteidigungsministerium nicht für notwendig erachtet.

Die Grünen lehnen die Spezialtruppe rundweg ab und halten Rühes Begründung für vorgeschoben. Der verweist in diesem Zusammenhang auf das Jahr 1994, als in der ruandischen Hauptstadt Kigali deutsche Staatsbürger auf Bitten der Bundesregierung von belgischen Fallschirmjägern evakuiert wurden. Während Rühe seitdem davon ausgeht, daß Deutschland dafür eine eigene Spezialtruppe brauche, um nicht auf befreundete Militärs zurückgreifen zu müssen, meint die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, „dafür gibt es in jedem Staat Polizeikräfte, die eingesetzt werden können.“ Zwar gibt es auch in Deutschland eine entsprechende Polizeikraft, die GSG-9, doch deren Aktionsradius wurde mit der Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes 1994 entscheidend eingeschränkt. Seitdem ist ihr Auslandseinsatz nur „im Einvernehmen mit den Staat, auf dessen Hoheitsgebiet die Maßnahme stattfinden soll, zulässig“. Dererlei Begrenzung wird mit dem Einsatz der Bundeswehr umgangen.

Nach dem Einsatz wird der Bundestag befragt

Für Beer ist es bereits ausgemachte Sache, daß „Verteidigungsminister Volker Rühe die Elitekampftruppe der Bundeswehr ohne Beteiligung des Bundestages einsetzen will“. Dies könne nicht im Sinne von Karlsruhe sein. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil zu den Auslandseinsätzen festgeschrieben, „daß alle Einzelentscheidungen ... einer vorherigen konstitutiven Zustimmung des Bundestages bedürfen“.

Diese Vorgaben des BVerfG werden, so versicherte das Bundesverteidigungsministerium gegenüber der taz „strikt eingehalten“: „Demnach wird das Parlament bei konkreten Entscheidungen über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte – wenn immer dies zeitlich möglich sein wird – vorher beteiligt werden, damit es seine konstitutive Zustimmung zu dem Einsatz erteilen kann.“ Doch was passiert, wenn es zeitlich nicht mehr möglich ist? Die Bundesregierung, so verweist die Hardthöhe auf einen anderen Passus des Karlsruher Urteils, sei berechtigt „bei Gefahr im Verzug ... ohne vorherige Einzelermächtigung durch das Parlament vorläufig den Einsatz von Streitkräften zu beschließen und an den entsprechenden Beschlüssen in den Bündnissen oder internationalen Organisationen mitzuwirken und diese vorläufig zu vollziehen“. Die Bundesregierung müsse in diesem Fall jedoch das Parlament umgehend mit dem so beschlossenen Einsatz befassen. Stimmt der Bundestag dagegen, so versichert man bei der CDU-Fraktion, werde der Einsatz abgebrochen. Während das Verteidigungsministerium bei seinem KSK-Konzept das Verfassungsrecht noch auf seiner Seite weiß, ist die Deckung durch das Völkerrecht fragwürdig. Auf der Hardthöhe geht man davon aus, daß militärische Evakuierungsoperationen „Einsätze bewaffneter Streitkräfte im Ausland zum Schutz und zur Rettung eigener Staatsangehöriger“ sind. Voraussetzung sei, daß diese Staatsangehörigen „unmittelbar gefährdet sind, die fremde Staatsgewalt nicht willens oder in der Lage ist, Schutz zu gewähren“, diplomatische Bemühungen keinen Erfolg versprechen, von den Vereinten Nationen „Hilfe nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht zu erwarten wäre und der Einsatz bewaffneter Gewalt nicht unverhältnismäßig in die geschützten Rechtsgüter des fremden Landes und seiner Bewohner eingreift“.

Intervention trotz rechtlicher Grauzone

Daß jederzeit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird, daran hegt die SPD Zweifel. Und diese Zweifel sieht sie durch die Erfahrungen der Vergangenheit genährt. Schon öfters wurden bei entsprechenden Operationen anderer Streitkräfte die Souveränitätsrechte des betroffenen Landes verletzt, sei es bei der Geiselbefreiung der israelischen Armee auf dem ugandischen Flughafen Entebbe im Jahr 1976, sei es bei der Intervention der US-Armee auf der karibischen Insel Grenada im Jahre 1983.

Im Hause Rühe ist man sich im klaren, daß eine Intervention ohne Einwilligung des betroffenen Staates „einen Grenzbereich des völkerrechtlichen Gewaltverbotes“ betrifft. Zur Begründung der Zulässigkeit einer solchen Intervention beruft man sich auf die „Rechtfertigung als gewohnheitsrechtlicher Ausnahmetatbestand von Gewaltverbot der Ziffer 4 UN- Charta“. Die Ziffer 4 des Artikels 51 der UN-Charta sichert die Souveränitätsrechte der Staaten. Bei der SPD grübelt man nun, welche Ausnahmetatbestände dem Verteidigungsminister dabei durch den Kopf gehen und erwartet von der Hardthöhe einige klarstellende Erläuterungen. Gerade weil es sich um einen Grenzbereich handelt, ist für den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Günter Verheugen allerdings jetzt schon klar, daß die Bundesregierung gut beraten sei, es so zu machen, wie Helmut Schmidt. Der damalige Bundeskanzler hatte 1977 bei der Geiselbefreiung in Mogadischu die Opposition im Rahmen eines Großen Krisenstabes eingebunden.