Jörg Haider holt ein Drittel

■ Bei den Europawahlen verlieren Österreichs Sozialdemokraten acht Prozent. Haiders Rechte gewinnt

Wien (taz) – Mit einem Fiasko für die seit 26 Jahren regierenden Sozialdemokraten endeten Österreichs erste Wahlen für das Europaparlament. Nach ersten Hochrechnungen konnte die SPÖ von den acht Mandaten, die sie bisher in Brüssel innehatte, nur sieben halten. Mit 29,7 Prozent verlor sie 8,4 Prozent gegenüber den Nationalratswahlen vom vergangenen Dezember. Profitiert hat von ihren Verlusten vor allem die Freiheitliche Partei des rechten Volkstribunen Jörg Haider, der damit einmal mehr seine Anwartschaft auf das Kanzleramt für 1998 oder 1999 anmeldet. Statt fünf wird er jetzt sechs Abgeordnete nach Straßburg entsenden. Das Gewicht der fraktionslosen Kämpen auf Europaniveau ist zwar unbedeutend, doch innenpolitisch ist diese Kräfteverschiebung ein Signal, das die Autorität der SPÖ/ÖVP- Koalition erheblich untergräbt. Die bürgerliche ÖVP konnte wahrscheinlich dank der Ausstrahlungskraft ihrer Spitzenkandidaten, der Starjournalistin Ursula Stenzel und des polyglotten Kaiserenkels Karl Habsburg, ihre Talfahrt stoppen und sich von sechs auf sieben Sitze steigern. Die drei Erstplazierten liegen fast gleichauf zwischen 28 und 30 Prozent. Die Grünen konnten leicht zulegen und werden voraussichtlich ihr einziges Mandat halten.

Abgesehen vom „Denkzettel“, den Haider für die Großparteien forderte, dürfte wohl der Europafrust der Österreicher diesem Wahlergebnis zugrunde liegen. Das zeigt sich schon an der niedrigen Wahlbeteiligung von 68 Prozent. Als vor zwei Jahren 66,4 Prozent der Österreicher für einen EU-Beitritt stimmten, schritten 81 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen. Der drastische Sparkurs der Regierung wird mit der EU und dem Zwang zur Erfüllung der Konvergenzkriterien für die Währungsunion in Zusammenhang gebracht.

Bei den Wiener Landtagswahlen, die gleichzeitig stattfanden, verlor die SPÖ ihre seit 1919 gehaltene absolute Mehrheit, blieb aber mit rund 40 Prozent stärkste Partei. Bürgermeister Michael Häupl wird voraussichtlich mit der auf 15 Prozent abgefallenen ÖVP eine Koalition suchen, um die betont fremdenfeindlichen Freiheitlichen, die sich von 23 auf 27 Prozent steigern konnten, auszuschalten. Ralf Leonhard