Sparen bis zum Verfassungsbruch

■ Finanzpolitiker der Union wollen Arbeitslosen in der ersten Woche kein Geld mehr zahlen. Blüm wehrt sich

Berlin (taz) – Die Bundesregierung läßt derzeit prüfen, ob sie Arbeitslosen in der ersten Woche nach dem Verlust des Jobs das Arbeitslosengeld vorenthalten kann. Bundesarbeitsminister Norbert Blüm hält einen solchen Entzug zwar für verfassungswidrig, aber die Finanzpolitiker der Regierung arbeiten trotzdem weiter an den Streichungen. Verfassungsrechtliche Bedenken hat das Arbeitsministerium, weil Arbeitnehmer die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung zahlen, um im Fall des Jobverlustes nicht ohne Einkommen dazustehen. Die Kürzungen kämen dann einer Enteignung gleich.

Sollte Blüm mit seinen verfassungsrechtlichen Bedenken recht behalten, wollen die Finanzstrategen der Christdemokraten und Christsozialen – wieder gegen den erklärten Willen Blüms – einfach Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe weiter kürzen. Bild berichtete, eine weitere Senkung des Arbeitslosengeldes auf 64 Prozent des letzten Nettolohns für Verheiratete und der Arbeitslosenhilfe auf 57 Prozent des Nettolohns werde geprüft. Wie bei der Karenzwoche für Arbeitslose soll die Bundesanstalt für Arbeit so 1,5 Milliarden Mark einsparen können.

Der Vorsitzende der Haushaltsarbeitsgruppe der Unionsfraktion im Bundestag, Adolf Roth, weiß noch nichts Genaues über die neuen Sparpläne. „Wir sind noch nicht um eine Beteiligung gebeten worden“, sagte Roth gestern der taz. Roth bestätigte aber, daß es weiterer Sparanstrengungen bedarf. Dazu könnte auch der Versuch gehören, mit Karenztagen bei der Arbeitslosenversicherung Geld zu sparen.

Die Bundesrepublik darf sich 1997 nur mit 60 Milliarden Mark neu verschulden, sollen die Grenzwerte für die Aufnahme in die Währungsunion erfüllt werden. Um diese Kriterien einhalten zu können, will Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) 1997 auf den Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit verzichten.

Der SPD-Sozialexperte Gerd Andres sagte der taz, der Bundesanstalt für Arbeit werden „am Ende dieses Jahres 3,5 Milliarden Mark fehlen – und im nächsten Jahr fehlen sogar 10 Milliarden“. Weil Waigel nicht zahlen könne, habe sich die hektische Suche nach den Sparmilliarden noch einmal verschärft.

Waigels Kabinettskollege Norbert Blüm hatte schon vor einigen Wochen erklärt, aus seiner Sicht sei im Sozialetat in Sachen Einsparungen das Ende der Fahnenstange erreicht. „Mir fällt nichts mehr ein“, so Blüm damals. ten