„Friiiiische Nordsee zu verkaufen!“

■ Unilever will Fischhändler loswerden / Was wird aus Bremerhavener Zentrale?

Deutschlands große Fischhandelskette Nordsee soll verkauft werden. Diese Pläne des Markenartikel-Multis Unilever haben die Mitarbeiter in der Bremerhavener Zentrale verunsichert. Besonders die 400 Leute in der Verwaltung machen sich Sorgen um ihren Job. Was, so fragen sie, wenn der Käufer schon eine eigene Zentrale hat und sie auf die Straße setzt? Oder wenn das aus Produktion, Großhandel und Einzelhandel bestehende Unternehmen zerschlagen wird? Zwar könne ein Verkauf auch positiv für die Nordsee sein, so Betriebsrat Wolfgang Richter.: „Aber im Moment überwiegt die Sorge“.

Unilever hat einen Consultanten eingeschaltet, um einen Kooperationspartner oder Übernehmer zu finden. Eine Arbeitsgruppe bewertet derzeit die Substanz der Nordsee GmbH. In fünf Monaten sollen Ergebnisse vorliegen. Das erfuhren die Belegschaftsvertreter bei einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am Freitag. Betriebsrat Richter erwartet den Beginn konkreter Verkaufsverhandlungen nicht vor Mitte November.

Wie es hieß, ist Nordsee 40 bis 50 internationalen Interessenten angeboten worden. Genannt werden Namen wie die Großhandelsketten Metro und Migros, die Supermarkt-Kette Tengelmann, Pepsi-Cola oder die amerikanische Firma Red Lobster. Im Gespräch ist ein Preis von 500 Millionen Mark. Einen heißen Übernahme-Kandidaten gebe es aber noch nicht, berichten Branchenkenner.

Nicht betroffen von den Verkaufsplänen ist nach Angaben von Nordsee die Tiefkühlfischfabrik, in der unter anderem die Iglo-Fischstäbchen für ganz Europa gepreßt werden.

Der neue Chairmann des britisch-niederländischen Konzerns, der Brite Nial Fitzgerald, hatte angekündigt, „überflüssiges Firmengestrüpp abzuschneiden“. Für den Weltkonzern Unilever, der international Waschmittel, Margarine und andere Markenartikel verkauft, ist die Nordsee offenbar uninteressant geworden, auch weil sich das Konzept nicht in andere Länder exportieren läßt. „Das ist eine rein deutsche Veranstaltung“, sagt der Unilever-Sprecher Michael Herrmann. Fisch sei auch kein Markenartikel und außerdem gehörten die Fischhändler nicht zu den zehn „Top-Categories“ bei Unilever, wie Eiscreme, Margarine und Tee.

Nordsee-Sprecher Wolfhard Fechner kann die Gedankengänge bei Unilever sogar nachvollziehen. Nordsee ist in seinen 155 Fischgeschäften und 136 Restaurants der einzige Ort, an dem der Großhändler Unilever direkt mit den Kunden in Kontakt trete.

Fechner gibt sich aber selbstbewußt. „Es ist nichts schlimmes passiert“. Die Firma Nordsee mit 1,1 Milliarden Mark Umsatz 1995 und 6.400 Mitarbeitern habe im vergangenen Jahr 50 Millionen Mark plus gemacht. Nordsee sei mit der Kombination von Frischfisch-Fabrik, Großhandel und Fischgeschäften und Restaurants einzigartig. Wer die Nordsee kaufen wolle, müsse auch das Management-Wissen der Zentrale kaufen. Das Know-How wiege das Fehlen von werthaltigen Immobilien oder Maschinen auf. Die Frage bleibt für die Mitarbeiter, ob ein Käufer das Geschäft in dieser Struktur erhalten will.

Ein Übernehmer könne dem Unternehmen einen Pusch geben und investieren, hofft Fechner. So sollen Nordsee-Drive-in-Restaurants und Autobahnraststätten aufgebaut werden. Betriebsrat Richter will böse Überraschungen bei einer Übernahme vermeiden: „Wir werden wachsam sein“. jof