Im Tarkowskij-Land

■ Der litauische Regisseur Sharunas Bartas gießt eine Welt aus Tristesse in schöne, strenge Bilder. Der koproduzierende WDR zeigt zwei seiner Filme

In Bartas' Film „Drei Tage“ ist es meistens neblig, die Farben sind verhalten und alle Spiegel blind. Der Quai liegt als Weitwinkelleere vor dem Meer. Gemacht aus Betonmauern, die das gleiche trübe Grün tragen, das überall herrscht. Vielleicht ist es eine Liebesgeschichte, die hier beginnt.

Der Hafen, der Zug, der Bahnhof geben die verschlissene Kulisse ab für Bewegungen und Begegnungen, die so gottlos nebenbei in der alles bestimmenden Dämmerung stattfinden. Das, was vielleicht Liebe ist, fängt mit zwei ziellosen, jungen Männern an, die ohne Erwartung auf der Quaimauer sitzen. Im Hintergrund steht ein Denkmal tanzender Jugend, vor dem sich zwei Hunde beschnüffeln. Dann taumelt eine Dreiergruppe durch das Bild, der Mann so stinkbesoffen, daß die Frau ihn mitschleift. Das Mädchen bleibt. „Wer seid ihr?“ fragt sie die Männer, und: „Warum sagt ihr nichts?“ Das ist nach langen Minuten der erste Dialog in dem Film. Später wird sie mit den Jungen einen öden Sandweg entlanggehen. „Warum lachst du?“ fragt sie dort den einen.

Noch später haben die drei in einem toten, feuchten Kellerloch Quartier bezogen – kein Ort zum Liebemachen. Der eine liegt schon, der andere steht, zwischen ihnen hockt zitternd das schöne Mädchen. „Ich habe Durst“, sagt sie und schickt den einen hoch. Aus dem Klo heraus sieht er nackte Nutten mit dicken Hintern und einen Melonenhändler, und unten wird jetzt wohl der Akt vollzogen.

Mit der gleichen Beiläufigkeit, mit der sich Bartas' Protagonisten durch diese bedeutungsfreie Ödniswelt bewegen, erzählt der junge litauische Regisseur in „Drei Tage“ seine Geschichte. Er erzählt sie in Bildern. Die Dialoge sind spärlich, und vielleicht dient auch die Liebesgeschichte in ihrem Nebenbeizustand nur dazu, den Bildern einen Rhythmus zu geben. Man kann den Film wie einen Fotoband anschauen, als eine Folge von streng komponierten Einzelbildern und Arrangements: Da ist die Rezeption der Absteige, in die das Trio vergeblich Einlaß begehrt. Streng sind die Winkel, klar die Asymmetrien. Aber der Teppich, über den die Protagonisten hereingehen müssen, liegt quer zum Winkel, der Griff der Ausgangstür ist über die Fensterecken gebogen. Das Mädchen schlägt sie kaputt, als sie hinausgeworfen wird. In einem anderen Zimmer kann man für eine verhaltene Sekunde den Hauch eines Lächelns über ihr Gesicht ziehen sehen. Am Morgen, nach dem Akt, liegt dann fast Herzzerreißendes in der Szenerie – wenn da nicht noch ein dritter Körper neben dem Bett auf dem Fußboden läge.

So etwas wie dieses kurze Lächeln gibt es auch in Bartas' zweitem Film „Korridor“ – als ein Fest für einen Moment die ganze Starrheit seiner wortlosen Welt löst. „Korridor“ ist noch strenger als „Drei Tage“, und leider erlaubt es Bartas der Ödnis zu oft, auf die eigene Erzählung überzugreifen. Obwohl der Film wundervolle Porträts und Kompositionen in einem klaren, schönen Schwarzweiß zu malen vermag.

Natürlich liefern Bartas' Filme genau die Ästhetik aus dem Postkommunismus, die der Sehnsuchtsmarkt hierzulande von dort begehrt. Bunkerreste, Einschußlöcher, Ausweglosigkeiten wie bei Tarkowskij. Alte Frauen mit Warzen und alte Männer mit Weisheit. Aber es bleibt etwas, zöge man das ab. Das ist eine Stimmung wie bei Kaurismäki in einem erbarmungslos rohen Rohzustand. Lutz Meier

„Drei Tage“, heute 23 Uhr; „Korridor“, Donnerstag, 23 Uhr