Die Rückkehr bringt Probleme

■ Imam Advan Ljevaković über die Besonderheiten des bosnischen Islams in Berlin und seine Arbeit in der Gemeinde

taz: Herr Ljevaković, was ist das Ziel Ihres Zentrums?

Advan Ljevaković: Hauptziel des Zentrums ist, daß die Bosnier in ihrer Kultur, Tradition und Sitte verhaftet bleiben. Uns geht es aber auch darum, gute Beziehungen zu deutschen Institutionen aufzubauen. Derzeit geht es natürlich vor allem um die nach Hause zurückkehrenden Flüchtlinge.

Wie helfen Sie den Menschen?

In jedem Fall können wir eine moralische Unterstützung geben. Es ist sehr wichtig, daß die Leute verstehen, daß man nach Bosnien zurückkehren muß, weil Bosnien diese Leute braucht.

Hat sich Ihre Arbeit seit dem Daytoner Friedensvertrag verändert?

Ja, die Arbeit hat sich verändert. Bis dahin ging es vor allem darum, Kontakte mit jenen, die helfen wollten, zu knüpfen. Jetzt geht es mehr um die kulturelle Arbeit.

Was ist bosnische Kultur?

Bosnische Kultur ist alles das, über das auch die Deutschen sagen können, „das ist unsere Kultur“. Unsere Kultur ist eng mit dem Islam verbunden, genauso wie Deutschland mit dem Christentum verbunden ist.

In Ihrem Zentrum hängen ausschließlich Parteifahnen der Izetbegović-Partei SDA (Partei der demokratischen Aktion). An Ihrem schwarzen Brett ziert das SDA-Symbol die von der OSZE herausgegebenen und eigentlich für alle Parteien geltenden Informationen der zurückliegenden Wahlen.

Zunächst einmal ist zu sagen, da ist das, was die Welt nicht anerkennen will: Das Gebiet unter Kontrolle der Armija BiII ist das Gebiet, wo Demokratie gewesen ist. Die gesamte Zeit. Die Residentschaft war multinational. Wir sind nicht für eine Partei und nicht für einen Führer, wir sind für Demokratie.

Der radikale Flügel der SDA würde eine Teilung Bosniens und damit einen separaten Muslimstaat begrüßen. Oppositionelle wie der sozialdemokratische Bürgermeister Selim Beslagić aus Tuzla werden von SDA-Leuten wie dem Präsidenten des gleichnamigen Kantons (Landkreis) massiv unter Druck gesetzt.

Im Kanton Tuzla hat bei den Wahlen die SDA gewonnen. Sie wird den Präsidenten, den Gouveneur des Kantons, auswählen. Wer das sein wird, muß sich erst noch zeigen. Ich sehe im übrigen nicht so große Feindschaften zwischen den beiden Seiten mit Ausnahme, daß Beslagić liberaler ist. Beide sind auf jeden Fall für Bosnien-Herzegowina. Politische Feindschaften werden auch in Deutschland ausgetragen. Wenn wir in Berlin sind, dann gibt es auch mehr Plakate der CDU. Ich denke, daß Bosnien ein Land ist, in dem Demokratie über alles herrschen soll. Wir können Bosnien aber nicht mit Amerika oder Deutschland vergleichen. Die Demokratie in Bosnien ist erst noch in der Entwicklung. Doch die Tatsache ist, daß wir dafür bereit sind, die anderen sind nicht so bereit. Ein orthodoxer Pope aus Belgrad kann heute nach Sarajevo kommen. Unser Imam kann nicht nach Pale gehen. Das ist die Geschichte mit den zwei Kindern, die beide geschlagen werden, obwohl nur eines schuld ist. Ein Ausgleich für alle drei bosnischen Völker in gleichem Maße ist ungerecht. Das muß man verstehen.

Wie sehen Sie die Zukunft der in Berlin lebenden Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina?

Ich denke, daß die Flüchtlinge aus Bosnien keine Schwierigkeiten machen werden und daß sie die Entscheidung von Deutschland annehmen werden. Daß viele Probleme mit der Rückkehr kommen, ist allerdings Realität. Und wir erwarten von Deutschland, daß hier nur solche Entscheidungen getroffen werden, die keine soziale Unsicherheit nach Bosnien hineintragen. Im Moment ist das Gebiet, in das die muslimischen Flüchtlinge zurückkehren können, voll. Interview: Frank Hofmann