■ Buchtip
: Nur der Hauch von Literatur

„Herr Guggenbichler, mein Briefträger, hat mir, dem bekannten Autor, wieder viel Post gebracht, nicht nur Briefe von meinen Fans, sondern auch türkische Literatur- und Kulturzeitschriften ...“ Hier spricht Engin Ertürk, literarischer Held in Alev Tekinays Roman „Nur der Hauch vom Paradies“. Mit diesem Opus hat die schreibende Sprachdozentin nach zahlreichen erzählerischen Anläufen ihren ultimativen Migrationsroman vorgelegt. Hinter der Romankonstruktion sind Tekinays Germanistikstudium und Deutschlanderfahrung erkennbar: Deutschlandtürke zweiter Generation schreibt herzzerreißende Lyrik über die Bikulturalität (origineller Titel des Gedichts: „Dazwischen“) und wird bekannt. Angespornt durch eine unglückliche Liebesgeschichte produziert er sein autobiographisches Opus magnum, eine klassische Story der zweiten Einwanderergeneration, das ihn über Nacht zum Bestseller macht. Tekinay konstruiert den Idealtypen des Migrationsautors und trägt dabei nicht zu dünn auf. Floskeln wie „Seit ich ein berühmter Schriftsteller bin...“ durchziehen den Text mit plumper Penetranz. Die ehrgeizig- postmoderne Konstruktion des Text-im-Text ist Tekinay dabei gründlich mißlungen, da sich beide Romane bis aufs Haar gleichen – was den Protagonisten nicht davon abhält, seitenweise selbstverliebt aus seinem Opus famosum zu zitieren. Was Tekinay als Kaleidoskop der Retrospektiven konzipiert, ist im Text eine fortwährende Aneinanderreihung trivialer Begebenheiten, an die sich Engin erinnert. Und die er gleich darauf noch einmal wortwörtlich aus seinem Roman wiederholt. „Ich versinke wieder in meinen Erinnerungen. Ich war einmal allein in die Türkei gefahren ... Ich schlage die entsprechende Stelle in meinem Roman auf: ,Ich bin in der Türkei‘ ...“ Langeweile im Doppelpack. Das alles in einer stilistisch schwachen, holperigen Schreibe, die sich fortwährend selbst zur Kunst deklariert.

Tekinays Anspruch hinter ihrem Werk ist deutlich: Die Erfolgsstory der Migrationsliteratur als selbsterschaffenes Monument, mit ihrem Titelhelden obenauf. Vom Gemüsehändlersohn zum Bestsellerautor. Zitat aus Engins Fanpost: „Herzlichen Glücwunsch zu Ihrer hervorragenden schriftstellerischen Leistung. Ich bin stolz auf einen Landsmann wie Sie, der in Europa solche Erfolge hat.“ Das ist mehr als peinlich. Meint sich die Autorin gar selbst?Karin Yesilada

Alev Tekinay: „Nur der Hauch vom Paradies“ (Roman). Brandes & Apsel-Verlag, Frankfurt/M. 1993, 29,80 DM