■ In den deutsch-tschechischen Beziehungen kriselt es weiter
: Kohls Salamitaktik

Seit 1989 setzt die sudetendeutsche Landsmannschaft alle Hebel in Bewegung, um eine Normalisierung zwischen Tschechen und Deutschen zu hintertreiben. So ist es auch heute keine Übertreibung, von einer sudetendeutschen Lobby zu sprechen. Daß es sie gibt – vor allem in der CSU, aber keineswegs dort allein –, mag sogar positiv gedeutet werden: als Hinweis auf die geglückte Integration der Sudetendeutschen in der deutschen Nachkriegsgesellschaft.

Doch Verschwörungstheoretiker können vermuten, daß die deutsche Außenpolitik im Münchner „Sudetendeutschen Haus“ bestimmt wird. Die fleißigen Lobbyisten dort sind keineswegs das eigentliche Hindernis. Eher schon die Bereitschaft Helmut Kohls, das „sudetendeutsche“ Argument als Trumpfkarte in der Hinterhand zu halten. Ein erbärmliches Spiel mit dem Namen „Wer benutzt wen?“, das in Deutschland interessieren sollte.

Wenn heute in Teilen des demokratischen tschechischen Spektrums der Geduldsfaden zu reißen scheint, so spiegeln sich darin weniger innenpolitische Probleme. Die Bereitschaft der tschechischen Öffentlichkeit, sich mit der Vertreibung der Deutschböhmen auseinanderzusetzen, war in den letzten Jahren groß. Sie ist es noch immer. Mit den Debatten über dieses Thema – oft kontrovers geführt, aber von einer erstaunlichen Selbstkritik getragen – haben die Tschechen es sich nicht leichtgemacht. Andererseits sinkt dort die Neigung, einen Pseudodialog mit Deutschland mit dem Rücken zur Wand zu führen.

Die Kohlsche Salamitaktik von immer neuen „Nachbesserungs“-Vorschlägen für die vielbesprochene deutsch-tschechische Deklaration kollidiert mit dem gestiegenen Bedürfnis der Tschechen, als normaler europäischer Staat behandelt zu werden. Die recht erfolgreiche tschechische Transformation der letzten sieben Jahre läßt zwar die Bäume in Böhmen nicht in den Himmel wachsen, sie hat jedoch für Selbstbewußtsein gesorgt.

Mit einem Politiker vom Schlage eines Václav Klaus ist Kohls etwas zu schlaue Absicht scheinbar nicht zu realisieren: nämlich am tschechischen Beispiel der Welt einen Paradigmenwechsel bezüglich der historischen Rolle Deutschlands vorzugaukeln – vom Verursacher des Zweiten Weltkrieges zu seinem Opfer. Richard Szklorz