Österreichs Dilemma

■ Auf Haiders soziale Frage hat die SPÖ keine Antwort

Sie waren als Showdown angekündigt und endeten in einem „Blutbad“ (Kurier): die österreichischen Europawahlen. Das Ergebnis: Der Sonderweg mit einer jahrzehntelang dominierenden Sozialdemokratie ist am Ende. Der Preis: eine extrem rechte Opposition, die nun endgültig zu den großen Parteien – Sozialdemokraten und Volkspartei – aufgeschlossen hat.

So weit, so schlecht. Es ist bekannt, daß mangels einer gesamteuropäischen Kultur Europawahlen beinahe in jedem Land der Union als demokratische Freistilübung von beschränkter Ernsthaftigkeit gelten. Sie provozieren meist überraschende Voten, die ansonsten durch politische Räson gemildert werden.

So weit, nicht ganz so schlecht. Doch hat das Quorum, das die Haider-Partei nun erreicht hat und das im Trend des zehnjährigen Zuwachses der FPÖ liegt, eine Größenordnung, die eine solche Deutung kaum noch zuläßt. Das Problem ist nicht so sehr dieses Wahlergebnis, sondern daß es, auch unter Berücksichtigung aller europapolitischen Besonderheiten, die künftige politische Konstellation vorwegnimmt.

So weit, ganz schlecht. Das relativ gute Abschneiden der ÖVP darf über eines nicht täuschen: Die politische Zukunft wird zwischen den Sozialdemokraten und den Rechtspopulisten Jörg Haiders ausgefochten. Daß die Krise der ersteren den Aufstieg der zweiteren begünstigt, ist offenkundig. Was die Chose aber so dramatisch macht, ist, daß der Erfolg der Freiheitlichen die Krise der SPÖ prolongiert und schier unlösbar macht.

Die SPÖ bleibt aufgrund des Gewichts der Haider-Partei in einer Koalition mit der Volkspartei gefesselt. In dieser schwerfälligen Paarung sind Reformen nicht durchzusetzen und der durch den Maastricht-Vertrag oktroyierte Sparkurs nicht sozial verträglich gestaltbar. Angesichts dieser Prämissen ist jener nun auch in der Parteielite angemahnte Prozeß der „Repolitisierung“, der geforderte New Deal, nichts als Wunschdenken. Haiders Arbeiterpartei sammelt all jene, denen der Prozeß kapitalistischer Beschleunigung zum Nachteil gereicht. Diese Dynamik ist in sich logisch, Haiders weiterer Aufstieg konsequent. Haider gewinnt, weil er die soziale „Frage“ stellt. Weil er gewinnt, verhindert er eine „Antwort“. So weit, so weiter. Robert Misik