Verleumdung bestritten

■ Berufungsverhandlung gegen Vorsitzenden der „Nationalen Liste“

Seit 15 Jahren sei er politisch aktiv, sagt der 33jährige Thomas Wulff, sei „wegen Auschwitz oder Juden“ aber noch nie verurteilt worden. Wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen jedoch häufig, wegen Beihilfe zur Volksverhetzung bereits vor neun Jahren und wegen Volksverhetzung, Verleumdung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener im Dezember vergangenen Jahres – zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung. Wulff hatte Berufung eingelegt, die Staatsanwaltschaft auch. Seit gestern wird erneut verhandelt.

Bis zum Verbot der „Nationalen Liste“ im Februar 1995 war Wulff Vorsitzender dieser Vereinigung und presserechtlich verantwortlicher Redakteur des Listen-Sprachrohrs Index. Darin erschien im Januar 1995 ein mit „Zum 50. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz“ überschriebener Text, in dem unter anderem von einer „angeblichen Massenvernichtung von Juden“ geschrieben und der Begriff Befreiung in Anführungszeichen gesetzt wurde. Es seien darin offenkundige geschichtliche Tatsachen in Abrede gestellt worden, heißt es im Urteil vom Vorjahr. Wulff habe den Text zwar nicht selbst verfaßt, als Verantwortlicher jedoch gewollt, daß diese Botschaft nach außen dringt.

Wulff bestreitet, den Massenmord an Juden leugnen zu wollen; darüber habe er sich trotz intensiver Studien kein abschließendes Urteil bilden können. „Angeblich“ heiße lediglich „zur Zeit angegeben“. Und weil ein ZDF-Reporter während einer Gedenkfeier von 1,1 Millionen Auschwitz-Opfern gesprochen und er selbst in der Schule von vier Millionen gehört habe, werde man doch mal fragen dürfen, was jetzt stimmt. Und weil fragen nicht verboten ist, sei er eben wegen Volksverhetzung angeklagt.

Wulff ist seit drei Jahren arbeitslos, war als Neonazi geoutet und bei der Dasa entlassen worden – wegen der „Hysteriewelle“ nach Mölln und Solingen, meint er. Er versuche, gegen das Verbot der „Nationalen Liste“ vorzugehen, um bei den „Hamburgwahlen“ wieder dabeisein zu können.

Das Urteil wird in der kommenden Woche erwartet.

Stefanie Winter