Leise Töne, radikal ausgespielt

■ Musikfestabschluß mit John Eliot Gardiner und Robert Levin

Mit dem Engagement von John Eliot Gardiner konnte Thomas Albert schon vor Jahren das deutlichste Zeichen für das interpretatorische Niveau des Musikfestes setzen. Später kamen andere dazu, John Eliot Gardiner Jahr für Jahr wieder: Ein Dirigent, der mit seinem „Orchestre Revolutionaire et Romantique“ mit jedem Repertoire überzeugt, weil er so gründlich und inspiriert am Notentext arbeitet. So war die Vorfreude auf das repräsentative Abschlußkonzert des diesjährigen Musikfestes im Congress Centrum groß, zumal der Solist der Pianist Robert Levin war, an den es ebenfalls hinsichtlich seines hochsensiblen Beethovenspiels unvergeßliche Erinnerungen gibt.

Daß diese Erwartungen nicht ganz gehalten werden konnten, lag an zweierlei: Einmal tötet die Akustik im großen Saal des Congress Centrums mit seinem Teppichbelag nun wirklich alles, was sich differenziert und leise äußern will. Zum anderen hatte Gardiner offensichtlich nicht seinen besten Tag. Einsätze klapperten, es gab gestalterische Leerstellen und man wurde das Gefühl nicht los, daß Gardiner in der Akustik einfach nichts mehr vor Ort entwickeln konnte.

Trotzdem: Die Art und Weise, wie dieses überragende Orchester dem Dirigenten folgt, besser gesagt, mit ihm zusammenspielt, begeistert zumindest die vorne Sitzenden noch immer. Sie spielten zwar ein traditionelles, aber trotzdem schönes Programm: Beethovens mitreißende Fidelio-Ouvertüre, sein zutiefst lyrisches viertes Klavierkonzert und Robert Schumannns leicht spröde vierte Sinfonie.

Im Saal mußten auch die ZuhörerInnen, die die historischen oder alten Vorbildern nachempfundenen Instrumente inzwischen kennen, sich an den zarten Klang des Fortepianos aus dem Jahr 1812 gewöhnen. Aber dann offenbarte Levin eine unbeschreibliche Fülle an Klangfarben, Artikulationen und besonders Rubati, die einen nicht selten den Atem anhalten ließen. Derart radikal ausgespielte leise Töne an der Grenze der Wahrnehmbarkeit, Generalpausen, die das Stück zu zerreißen drohten, in wilde Gesten umgesetzte Akkordkaskaden zeigten Beethoven als Avantgardisten ohnegleichen. Daß solches auch heute noch deutlich werden kann, ist Interpreten wie Levin und Gardiner zu danken. Beifall ohne Ende.

Ute Schalz-Laurenze