■ Ein Projekt zur kulturellen Integration Europas:
: Stierkampf für Deutschland

Stierkampf in Deutschland? Das klingt so verrückt wie Klootschießen in Spanien, soll aber schon in den nächsten zehn Jahren Wirklichkeit werden, wenn es nach Ingo-Felipe Icaza geht. Der 42jährige Unternehmer, Sohn eines spanischen Reeders und einer deutschen Werbekauffrau, hat sich vorgenommen, den Stierkampf in Deutschland heimisch zu machen. Und es ist ihm auch bereits gelungen, ein prominentes Zugpferd vor seinen Karren zu spannen: Uli Hoeneß.

Der Manager des FC Bayern München sieht im Stierkampf einen Zukunftsmarkt mit großen Gewinnspannen. Der Bedarf der Erlebnisgesellschaft an neuen Formen der Freizeitgestaltung werde auch im kommenden Jahrtausend weiter steigen, heißt es in einer Pressemitteilung. Der FC Bayern München müsse dabei seiner Vorreiterrolle gerecht werden. Geplant ist zunächst eine Arena im Erdinger Moos mit 38.000 Sitzplätzen. Zu den Investoren gehören neben dem FC Bayern maßgeblich die Steakhouse-Kette Maredo und der Rowohlt Verlag, der zwischen Gegentribüne und Stallungen ein Hemingway-Museum einrichten wird. Baubeginn ist im Frühjahr 2002.

Offiziell vorgestellt wurde das Projekt am vergangenen Dienstag in der Münchner Residenz. Zur Überraschung der Medienvertreter setzte sich dort auch der Philosoph Peter Sloterdijk vehement für das Stierkampfprojekt ein. Er erklärte, daß falsch verstandene Tierliebe nicht zur Ad-hoc-Verteufelung archaischer Rituale führen dürfe. Gerade der Mensch des 21. Jahrhunderts müsse sich existentieller Gegebenheiten wie Leben, Kampf und Tod symbolisch vergewissern können, wenn er im Wettlauf mit der Evolution nicht unterliegen wolle. Daß der FC Bayern München gerade Peter Sloterdijk für die Öffentlichkeitsarbeit gewonnen hat, dürfte sich als kluger Schachzug erweisen. So wird Vorbehalten von Intellektuellen gegen das Projekt bereits im Vorfeld entgegengewirkt.

Auch möglichem Widerstand aus Tierschützerkreisen hat man vorgebeugt. In einem Kooperationsabkommen mit der Sielmann- Stiftung wurde vereinbart, daß zwei Prozent der Einnahmen Organisationen zugeführt werden sollen, die dem Tierschutzgedanken nahestehen. Außerdem sollen in den Kämpfen ausschließlich genetisch veränderte Stiere Verwendung finden, deren Fähigkeit, Schmerzen zu empfinden, deutlich unterhalb der zugelassenen EU- Normen liegt.

Ingo-Felipe Icaza ist zuversichtlich, bald weitere Sportvereine und Geldgeber für seine Pläne erwärmen zu können. Zur Zeit steht er in Verhandlungen mit der Kirch-Gruppe, Tennis Borussia Berlin und einem Konsortium aus mecklenburgischen Viehbaronen. „Andere Kulturen haben Menschen geopfert, um die Götter milde zu stimmen“, sagt er, klappt befriedigt seinen Chronoplan-Terminkalender mit Universallochung zu, und erhebt sich. „Wenn wir jetzt für die kulturelle Integration Europas ein paar Stiere opfern, ist das nicht nur humaner, sondern auch ein besseres Geschäft.“ Spricht's und eilt erwartungsvoll zum nächsten Termin. Ob es da um den Export des Klootschießens nach Spanien geht? Ingo-Felipe Icaza wäre es zuzutrauen. Gerd Henschel