■ Der Heldenmythos: Geblieben ist nur das große „R“
Ein halbes Jahrhundert war es so etwas wie das große, verbindende Zauberwort Italiens – geschrieben mit großem R statt der sonstigen Kleinschreibung der Substantive: Resistenza. Widerstand, die einigende Formel des späteren „Verfassungsbogens“, der 1946 die Monarchie abschaffte, die neue demokratisch-republikanische Verfassung durchsetzte und den Faschismus verbot. Aufgebaut war diese Formel auf den „Werten des Kampfes gegen den Nazifaschismus“, wie dies bis heute lautet, gegen die deutsche Besetzung eines Großteils des Landes nach dem Austritt Italiens aus dem Zweiten Weltkrieg und der Einigung der Nach- Mussolini-Regierung Badoglio mit den US-Truppen am 8. September 1943.
Dieser Verfassungskonsens, dem sich lediglich die Movimento Sociale Italiano (MSI), eine moderat neofaschistische Gruppe, und die Monarchisten entzogen, bedingte über den Zusammenhalt der „ersten Republik“ hinaus auch eine lange Zeit unantastbare Heroisierung des Widerstandes und der Partisanentätigkeit. Tabu waren dabei nicht nur die schon bald nach Kriegsende bekanntgewordenen Greuel mancher Partisaneneinheiten nicht nur dem Gegner, sondern auch der eigenen Bevölkerung gegenüber.
Unter den Tisch gekehrt wurde dabei auch, daß sich in Italien lange Zeit kaum oder allenfalls mäßiger Widerstand gegen Mussolinis Diktatur gerührt hatte – mit dem „großen R“ der Resistenza wurde ein „Nobelbegriff“ erfunden, so der namhafte Faschismusforscher Renzo De Felice, der „rückwärts ausgedehnt wurde bis hin in die Anfangszeit der faschistischen Diktatur 1922 und so nach und nach die Oberflächlichkeit und Schwäche der Opposition gegen den eigenen italienischen Faschismus überdeckte, während man die 19 Monate Kampf gegen die Nazis zum gigantischen Kampf um Freiheit und Demokratie aufblähte und dabei auch gleich noch mitverdrängte, daß die meisten Siege nicht von Partisanen, sondern von den alliierten Truppen erfochten wurden“.
Zweifel an der wirklichen Leistung der Partisanen kamen erst in den neunziger Jahren auf, als sich dieser „Verfassungsbogen“ durch die Auflösung der KP und später der Democrazia Cristiana verlorenging und Personen der jüngeren Generation in die ideologischen Entscheidungsinstanzen einrückten.
Erst sehr zögernd greift eine kritische Partisanen- Forschung Platz, werden nun auch manche Opfer der Partisanen rehabilitiert: Menschen, die ohne Verfahren oder auch mitunter heimtückisch durch nächtliche Überfälle auch nach der Befreiung noch umgebracht wurden. Etwa weil man sie für Kollaborateure hielt, manchmal aber auch, weil der eine oder andere Ex-Partisan eine private Rechnung begleichen wollte. Werner Raith, Rom
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