■ Schlagloch
: Fragen eines lesenden Moderators Von Friedrich Küppersbusch

Mit dem „Rheinischen Kapitalismus“ setzt Grünen-Sprecher Joschka Fischer in der taz einen überraschenden neuen Kampfbegriff in die mediale Umlaufbahn und einen Fuß in ein neues grünes Zeitalter. Motto: „Wir sind die Leute, vor denen Jutta Ditfurth uns immer gewarnt hat.“ Christlich-sozial wie Adenauer, liberal wie Köln („man moß auch jönne könne“) und irgendwie auch so jung geblieben wie die Toten Hosen aus Düsseldorf. Ein bißchen Nein zu Berlin – und erst recht weder Thatcherismus noch Reagonomics kann, wer mag, auch noch hineininterpretieren. Der so eingeleitete Grünen-Strategiekongreß gab dann auch Antworten auf die Frage, wie man denn mit sich ins rheinische kommt: Unterwegs gehen halt ein paar Inhalte über die Wupper.

Daß der Arbeiter Fischer 1971 bei Opel AG in Rüsselsheim freigesetzt wurde, weil er dort mit den Kollegen vom „Revolutionären Kampf“ Betriebsgruppen gründen wollte, ist das eine Streichergebnis. Auf der Gegenseite streichen wir die „Verstaatlichung der Schlüsselindustrien“, die Adenauers CDU in ihrem ersten, dem Ahlener Programm führte. Wir werden doch alle nicht jünger und treffen uns statt dessen auf der Flughöhe Katzer. Fischer fordert „Mitbeteiligung“ der Belegschaften. Kohl beehrte heuer zum erstenmal seit Jahren wieder die CDU-Sozialausschüsse. Und forderte seine Eppelmänner nachgerade kämpferisch auf, ihr eigenes Programm zu reklamieren: Mitbeteiligung sei jetzt nötig.

„Wandel durch Annäherung“ hat der Bundesrepublik schon einmal nicht geschadet. Und das ewige Eindreschen auf grünen Realismus wird nicht überzeugender durch die Wahlergebnisse, die die PDS als Fundibund im Westen, im Rheinischen gar, erzielt. Noch mal Adenauer: „Man soll sich keine anderen Menschen wünschen. Es gibt nur die.“

Nun also sagen auch Bündnisgrüne so schmutzige Worte wie „Standortproblem“, „Infrastruktur“, „Globalisierung“ und so fort. Erst mal raus aus dem Moralknast der political correctness, die es aufzugeben gilt, will man einander nicht, wie gehabt, nur verbissene Schimpfwörter über die Lagerzäune werfen. Das ist doch ok. Ok heißt übrigens ab sofort „ökonomisch korrekt“ und ist eine wahre Geißel der europäischen Menschheit. Der Kampf gegen die political correctness, tosend und aufopferungsvoll vorgetragen von Menschenrechtsgruppen wie der CDU-Stahlhelmfraktion, der Redaktion der Frankfurter Allgemeinen und dem Focus, ist aller Ehren wert. Man muß sich in diesem Land noch fröhlich machen dürfen über „Töpfern für den Frieden“ und derlei possierliche Dummbatzigkeiten.

Ein Beispiel: Manche Leute verstehen halt auf Anhieb, daß und warum es in vielen deutschen Parkhäusern inzwischen Frauenparkplätze gibt. Manche wieder finden das supilustig und machen jedesmal den Großwitz „...schön und gut, aber meine Alte bleibt einfach da stehen über Nacht.“ Und wieder andere finden das eben nicht gut irgendwie, kurz: würden das gern mal für jede Parkbox einzeln erklärt bekommen. Das allerdings sagt wenig über Sinn und Unsinn von Frauenparkplätzen, aber viel über die geistige Zurechnungsfähigkeit derlei engagierter pc-Gegner.

Während also rechte Publizisten schöne, konservative Ideale wie Wehleidigkeit, Begriffsstutzigkeit und Mutlosigkeit hochleben lassen, duckt sich alles links davon, um ja nicht als altmodische pc- Zausel dazustehen. Die Anti-pc- Kampagne ist ein Meisterstück: 14 Jahre nach der konservativen Wende kann eben jene regierende Kraft sich wieder als verfolgte Minderheit bejammern wie zuletzt vielleicht während der Entnazifizierung. Wichtiger, weil wirksamer: Den eigentlichen neuen Denkzwang bemerkt man dabei gar nicht. Den macht man nur mit. 1996 hat sich jeder Klomann ein Statement zu seinem Standortproblem auszudenken. Gewerkschafter gelten als kompetent, wenn sie Belegschaften als „Problembereich“ der Produktion definieren. Im SPD-Programm „Arbeit und Wirtschaft“ kommt das Wort „sozial“ unter Punkt 7 zum erstenmal vor, Kontext: „sozial verträgliche Umstrukturierungen“.

„Die Bürger sind bereit zu Einschnitten!“ meldet Helmut Kohl in der Spardebatte Vollzug, Motto: Der Glaser schmeißt die Scheiben ein und sagt, da müssen neue rein. Vielleicht muß man ganz viel Volkswirtschaftslehre studiert haben, um dem widersprechen zu können. Jedenfalls ist es derzeit völlig ok, sich ohne jede Not den Kopf der Unternehmer zu zerbrechen. Und es ist derzeit völlig Un-ok, irgendwas vorzuschlagen, was am Ende auch mal Geld kosten könnte. Das alte Elend, daß man Arbeitslosen, Schülern, Studenten, Rentnern, Behinderten in die Tasche greift, ist beigelegt, seit In-die-Tasche-Greifen selbst als topmodern und führungskräftig ausdefiniert wurde.

Prompt fordert der Grüne Oswald Metzger die Kürzung der Lohnfortzahlung, andere Grüne ein soziales Jahr der Rentner und der Grüne Fischer eben den Rheinischen Kapitalismus. Die Hoffnung: Für die Grausamkeiten gibt's am Ende den Betrieb im Mitbesitz der Belegschaft – oder jedenfalls die „Mitbeteiligung“. Obdacht: Das hat der Katzer auch gedacht. Und jetzt alle: „Wenn das Wasser im Rhein goldner Wein wär' ...“