Reiche freuen sich auf 1997

■ Nachdem sich Opposition und Bundesregierung auf keine Neuregelung einigen konnten, fällt die Vermögenssteuer ab Januar weg. SPD-Chef Lafontaine protestiert

Berlin (taz) – Es ist schon absurd: Die Bundesdeutschen besitzen an Geld und Immobilien sage und schreibe 9.000 Milliarden Mark (neun Billionen Mark). Trotzdem steht als Ergebnis des Streites um das Jahressteuergesetz fest, daß die Vermögenssteuer zum 1. Januar des kommenden Jahres abgeschafft wird. Dies sei „ein Schlag ins Gesicht aller Arbeitslosen und Arbeitnehmer“, erregte sich gestern SPD-Chef Oskar Lafontaine.

Die Regierungskoalition hatte für die Abschaffung der Vermögenssteuer plädiert, während die SPD die private Vermögenssteuer beibehalten wollte. Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom Sommer 1995 muß noch in diesem Jahr eine neue Regelung zur Vermögenssteuer geschaffen werden. Da dies zwischen Regierung und Opposition nicht möglich war, wird diese Steuer nun ab 1997 automatisch nicht mehr erhoben.

Bisher müssen ein Prozent des privaten und 0,5 Prozent des betrieblichen Besitzes als Vermögenssteuer abgeführt werden. Dabei gelten hohe Freibeträge. Außerdem wurden Immobilien bislang weit unter ihrem Verkehrswert nach dem sogenannten Einheitswert veranschlagt. Die Folge: Die staatlichen Einkünfte durch die Vermögenssteuer belaufen sich jährlich auf gerade mal neun Milliarden Mark. Dem steht laut Bundesfinanzministerium ein unvertretbar hoher Verwaltungsaufwand von drei Milliarden Mark gegenüber, der zur Erhebung und Prüfung der Vermögenswerte notwendig sei.

Um die jetzt folgende Abschaffung der Vermögenssteuer zu begründen, beruft sich die Bundesregierung im wesentlichen auf das BVerfG-Urteil vom vergangenen Sommer. Dies untersagt eine „Substanzbesteuerung“, also eine Besteuerung, die nicht aus den üblicherweise zu erwartenden Vermögenserträgen (Miete, Zinseinkünfte) zu bezahlen ist. Die steuerliche Gesamtbelastung der Erträge und des Arbeitseinkommens darf wiederum nicht höher sein als 50 Prozent. Da der Spitzensteuersatz inklusive Solidaritätszuschlag inzwischen aber schon bei 57 Prozent liegt, warnten Finanzexperten vor einer Welle von Einsprüchen, sollte die Vermögenssteuer beibehalten werden.

Unlängst mußte aber das Finanzministerium einräumen, daß es durchaus verfassungskonform gewesen sei, zumindest die Vermögenssteuer auf Privatvermögen beizubehalten. In der Betrachtung der 50-Prozent-Grenze im BVerfG-Urteil käme es nämlich nicht auf den Spitzensteuersatz an, sondern auf den „durchschnittlichen Steuersatz“, so das Waigel- Ministerium in der Beantwortung einer SPD-Anfrage. Der Spitzensteuersatz wird nur auf Einkünfte erhoben, die über 120.000 Mark an zu versteuerndem Einkommen liegen. Die gesamte durchschnittliche Steuerbelastung liegt dagegen auch bei Spitzenverdienern häufig unter 40 Prozent. Hochverdiener senken ihre Steuerschuld außerdem noch durch vielfältige Abschreibungen.

Zumindest die Erhebung der privaten Vermögenssteuer, die 40 Prozent der gesamten Vermögenssteuereinkünfte ausmacht, sei demnach durchaus verfassungsrechtlich „zulässig“, hieß es im Waigel-Ministerium. In Deutschland macht die Vermögensbesteuerung nur etwa 0,8 Prozent des Gesamtsteueraufkommens aus, in den USA dagegen zehn Prozent. Barbara Dribbusch