: Stille Haustiere statt redselige Hausmänner
■ Mit Lisa Germano und Victoria Williams kommen zwei freisinnige Songwriterinnen
Die eine bringt ihren Hund Mollie auf das Cover, die andere grüßt ihre Katze Miamo-Tutti, wo sie nur kann. Es sind ihre Haustiere, zu denen Victoria Williams und Lisa Germano problemlos Nähe herstellen. Mit Menschen und Männern ist es da schon weniger einfach.
Lisa Germano singt, oder besser flüstert, auch auf ihrem dritten Album Excerpts From A Love Circus ausführlich von ihren gescheiterten Beziehungen zu Männern. Obwohl es nach eigenem Bekunden nur drei oder vier waren, die richtig in die Hose gingen, haben diese Erfahrungen doch tiefe Scharten in ihren Gefühlshaushalt gerissen. Warum Frauen sich überhaupt auf Beziehungen einlassen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind, das versucht sie immer wieder aufs neue zu umkreisen. Dabei wird sie häufig so privat, daß es schmerzt. Manchmal ahnt die „Beautiful Schizophrenic“ (Songtitel) aber, daß die ganze Beziehungskiste möglicherweise an dem Frauenbild der Männer hängt. „You–re no Yoko Ono“ heißt es dann oder in „Victoria's Street“, einem Stück über Amerikas größtes Dessous-Versandhaus: „You–re ugly/I am pretty/Your man wishes you look like me.“.
Das alles trägt Lisa Germano in einem Singalong vor, der an von solchen Bildern unberührte Tage erinnert und von einem unscharfen Ringelreihen auf dem Album-Cover illustriert wird. Ohne Vorwarnung aber drohen diese stillen Passagen aufzubrausen. Insofern ist Lisa Germanos Folk nur auf eine bedrohte Art zum Heulen.
Victoria Williams ist da schon robuster. Auf ihrer aktuellen Platte, die einen Live-Auftritt in Toronto dokumentiert, kippt ihre folkige Erinnerungsarbeit gerne in poppigen Glamour um. Das Songwriter-Faktotum sieht dabei schon mal von sich selbst ab und besingt die verrückte Mary, das Lächeln eines Anhalters und den Sonnenschein. Williams treibt ihre Stimme dazu in künstliche oder kunstvolle Tonhöhen. Dabei quellen die Songs manchmal so theatralisch auf, daß sie zur Revue werden.
Überhaupt hat sich Victoria Williams trotz ihre krankheitsbedingten Abstinenz – sie leidet unter Leukämie – zu einer regelrechten Entertainerin gemausert. In Toronto jedenfalls brachte sie das Publikum mit kleinen Beziehungsgeschichten über ihren Hund Mollie zum Brüllen. Bei ihrem ersten Hamburg-Auftritt mit dem Projekt „Rollin' Creek Dippers“ werden sie eine ganze Songwriterriege am Mikrofon unterstützen.
Volker Marquardt
Lisa Germano mit Mojave 3: Mo, 21. Oktober, 21 Uhr, Logo / Rollin' Creek Dippers: nächster Do, 24. Oktober, 21 Uhr, Knust
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