Rotzende Rentner und rasierte Radikale

■ Mit Klischees wider die Klischees: Lou A. Probsthayn läßt in seinem neuen Anti-Kriminalroman „Dumm gelaufen“ den pensionierten Mob von der Kette

Nicht überall, wo Krimi draufsteht, ist auch ein Krimi drin. Bestimmte Themen ließen sich als Kriminalroman besser verkaufen, verrät Lou A. Probsthayn, der Autor von Dumm gelaufen, im Gespräch. Die Idee für das Buch lieferte der Mord von zwei Zwölfjährigen an einem achtjährigen Jungen in Liverpool 1992. Die Ermittlungen gingen damals davon aus, daß es sich bei den Tätern um Faschisten und beim Motiv schlicht um Langeweile handelte, so Lou A. Probsthayn: „Dieses Urteil kam dermaßen spontan, daß ich dachte, man kann nicht so einfach mit einem Klischee umgehen, ich habe dann in meinem Buch das Ganze umgedreht“.

Die Rentner Poller und Glatter werden aus schnöder Langeweile zu brutalen Mördern an dem 67jährigen Pensionär Herbert Schmackes. Überhaupt verhalten sich die drei wie Kinder. Poller und Glatter spielen nach dem Mord wieder im Sandkasten mit Autos und rotzen herzhaft auf andere. Auch der alternde Kommissar Brook ist satirisch überzeichnet. Er bekommt aus dem einzigen und schizophrenen Zeugen nichts heraus, weil dessen zweite Hälfte das verbietet. Verdächtig sind dagegen – wie im „Fall Liverpool“ – rechtsradikale Jugendliche. Die heißen bezeichnenderweise die „Brauns“ und werden tatsächlich zu Mördern, um sich paradoxerweise dadurch von Verdächtigungen zu befreien. Probsthayn überrascht immer wieder mit neuen, skurrilen Figuren und grotesken Ereignisse.

Beispielsweise die beiden Studenten Schmock und Veddel, die mit einem absonderlichen System versuchen, als erste eine freiwerdende Wohnung zu ergattern: Sie machen auf dem Friedhof frische Gräber ausfindig und suchen die Adresse im mitgebrachten Telefonbuch. „Eine extreme Realsatire“, sagt Probsthayn über das Buch. Doch trotz seiner Kritik am Klischee kommt er nicht ohne aus: Rechte kämpfen gegen Linke und eine „Glatze“ ist entäuscht, weil niemand den „Autonomen“ löschen will, den er gerade angezündet hat – er tut es dann selbst. Probsthayns Satire ist kantig, kraß und spart nicht mit Grausamkeiten. So bieten auf einer Demonstration „fahrende Händler (...) frische Asche in Urnen aus Mölln“ an. Sowas ist schade, zumal der Autor auch zu Originellerem fähig ist: „'Ruhe da unten, Ruhe da unten, oder wir holen die Polizei!' müllerten, meierten und schultzten die Mieter im Schutz ihrer Sozialwohnungen.“

Immer wieder schöpft Probsthayn aus einem großen Repertoire an Sprichwörtern, Redewendungen und Werbephrasen, die er auch spielerisch verändert. Das Buch ist zwar eine Satire auf den Kriminalroman und die ökonomischen Verhältnisse dieser Gesellschaft, aber die Medienkritik steht im Vordergrund. Presse, Fernsehen und Werbung kommen nicht gut weg. Probsthayn: „Ich habe versucht, die Sprache, die wir heute über die Medien bekommen, zu einer neuen Alltagssprache zu verbinden.“ Jüngere Menschen würden sich zum Teil – nicht so extrem wie im Buch – schon in der verklausulierten Form der Werbung unterhalten. Eine Gefahr sieht er darin allerdings nicht. Er ist – nicht ganz widerspruchslos – davon überzeugt, „daß die deutsche Sprache sich einfach verändern muß.“

Ralf E. Werner

Lou A. Probsthayn: Dumm gelaufen. Achilla , 26 DM.