Konkurs wegen Mißmanagement

■ Das Walter-Friedländer-Bildungswerk der Arbeiterwohlfahrt mußte Konkurs anmelden. AWO-Aufsichtsrat reagierte zu spät. Fördergelder in Millionenhöhe nicht projektbezogen verwendet

Das Walter-Friedländer-Bildungswerk in Kreuzberg hat aufgrund von Mißmanagement Konkurs angemeldet. Das Bildungswerk bot seit 1991 Ausbildungsplätze für jährlich 360 benachteiligte Jugendliche an. Den 75 Mitarbeitern wurde bereits gekündigt. Lediglich zwei von ihnen wurde eine neue Stelle angeboten. Alle anderen beziehen schon jetzt kein Gehalt mehr. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) ist der einzige Gesellschafter der GmbH, die insgesamt 10 Millionen Mark öffentliche Fördergelder erhielt. „Die Arbeit an der Basis war gut. Nur die Geschäftsführung, und dahinter die AWO, hat alles heruntergewirtschaftet“, erklärt ein Betriebsratsmitglied des renommierten Bildungswerkes.

Reiner Rodewald, den der AWO-Aufsichtsrat Ende August beauftragte, das marode Bildungswerk zu sanieren, hatte keine andere Wahl mehr: „Ich mußte aufgrund der miserablen Perspektive Konkurs anmelden. 3,6 Millionen Mark Schulden bei einem Stammkapital von 500.000 Mark sind einfach zuviel. Dieses schwarze Loch kann die AWO bei der immer schlechter werdenden Marktlage für soziale Träger nicht mehr stopfen“, erklärte der letzte Geschäftsführer. Der Betriebsrat wirft der AWO vor, seit Jahren von dem Mißmanagement der Geschäftsführung gewußt zu haben. „Die zunehmenden Schulden müssen der AWO doch bekannt gewesen sein“, erklärt ein Mitglied des Betriebsrats. Bereits 1994 habe es eine Deckungslücke gegeben. 1995 wies die Bilanz ein Minus von 700.000 Mark auf, und das trotz einer Bürgschaft über 2 Millionen Mark, die die AWO in das Bildungswerk gesteckt hatte. AWO- Landesgeschäftsführer Hans-Wilhelm Pollmann gibt den früheren Geschäftsführern des Bildungswerks, „den Herren Troscheit und Schneider“, die Schuld an der Misere. Sie seien für den aufgeblähten Personalstand und die zu hohen Tarife der Beschäftigten verantwortlich. Doch selbst AWO- Geschäftsführer Pollmann räumt ein, daß der Aufsichtsrat zu spät reagiert hat: „Ein Jahr früher hätte man das Bildungswerk noch retten können.“

Die bündnisgrüne Abgeordnete Sybill Klotz spricht von einem Skandal. „Millionen Mark aus den Taschen der Steuerzahler sind hier Problematische Personalunion

verschwunden“, kritisiert sie. Geschäftsführer Rodewald gibt zu, daß Millionenbeträge, die für bestimmte Projekte von der EU geflossen waren, von der damaligen Geschäftsführung nicht projektbezogen verwendet wurden. „Die Gerichte werden klären, ob die Herren Troscheit und Schneider haftungsrechtlich belangt werden“, erklärt Pollmann dazu.

Er gesteht zudem eine „unglückliche“ Personalunion ein: „Troscheit war seinerzeit Geschäftsführer bei der AWO-Beschaffungsgesellschaft PSB und zugleich Geschäftsführer beim Friedländer- Bildungswerk.“ Nach Ansicht von Betriebsratsmitgliedern bestellte Troscheit bei der von ihm geführten PBS für das Bildungswerk Computer und Maschinen zu völlig überhöhten Preisen. Dadurch habe er dem Friedländer-Bildungswerk Gelder in beträchtlicher Höhe entzogen. Ende 1993 wurde Troscheit als Geschäftsführer des Bildungswerks gekündigt und mit 140.000 Mark von der AWO abgefunden. Die PSB wurde anschließend liquidiert.

Im Betrieb wird kolportiert, daß die AWO an der Zerschlagung des Bildungswerks interessiert sei, um aus der Konkursmasse, das einzige „Filetstück“ herauszupicken. Es handelt sich um das Transfer- und Qualifizierungsprojekt „TUQU“. Seit 1993 wurden 15 Millionen Mark in die hochmoderne und umweltfreundliche Spritzlackiererei gesteckt. Nun hat die AWO nach Auskunft des Betriebsrats das Erbbaupachtrecht für das „TUQU“-Gebäude beantragt. „Dann könnte sie das Gebäude nutzen und Kapital draus schlagen“, erklärte der Betriebsrat. AWO-Geschäftsführer Pollmann bestreitet derartige Pläne vehement. Im Gegenteil, die AWO habe zwei Millionen Mark mehr in das Projekt investiert als geplant und habe sich damit „verkalkuliert“. Um wenigstens eine Abfindung für die Mitarbeiter zu erwirken, versucht der Betriebsrat, gerichtlich ein „Haftungsdurchgriffsrecht“ gegen die AWO durchzusetzen. Die Abfindung würde die AWO 1,4 Millionen Mark kosten. Kein Wunder, daß sie sich dagegen sträubt. Tim Köhler