■ Rohrkrepierer: Silvio Berlusconis Imagepflegeversuche
: „So eine neureiche Filzlaus“

Nein, es gelingt ihm nichts mehr, aber auch gar nichts mehr. Traumwandlerisch sicher hatte er vor drei Jahren die Politik erobert, mit seiner gerade eben aus dem Boden gestampften Forza Italia die Wahlen gewonnen, war zum Ministerpräsidenten gekürt worden – doch seit ihn der zähe römische „Palazzo“, das etablierte Machtkartell, ein halbes Jahr danach abgesägt hatte, haut er nur noch daneben: Silvio Berlusconi versucht auf alle mögliche Weise, noch mal hochzukommen und sich als der „wahre Führer der Rechten“ zu beweisen, doch die Ernte ist allenfalls homerisches Gelächter.

Sein neuester, schon fast verzweifelter Versuch, wenigstens noch auf der Mitleidsschiene zu fahren, erweist sich erneut als Bumerang. Die Wanze, die er in seinem Privatbüro hinter der Heizung gefunden haben will und die er ein ums andere Mal der Presse gezeigt (und der Polizei erst auf deren Drängen übergeben) hat, wird nicht nur allenthalben als eine Art Eigenbau verspottet (das gute Stück hat fast die Dimensionen einer Zigarettenschachtel – moderne Abhörgeräte sind nicht einmal mehr hemdknopfgroß). Nun nutzt die Regierung die von Berlusconi geschürte Aufregung auch noch, die Chefs der drei Geheimdienste abzulösen – just jene Leute, die Berlusconi noch höchstpersönlich ins Amt gehievt hatte.

Eilig sucht Berlusconi den Rückzug: Obwohl er „überhaupt keine Ahnung“ hat, „wer dieses Ding da plaziert haben könnte“, erklärt der Gebeutelte nun, daß er „abslut sicher“ sei: „Die Geheimdienste waren's nicht.“ Gern hätte er den Verdacht auf die Antikorruptionsermittler gelenkt, die Parlamentarier verfassungsmäßig nicht ohne Erlaubnis eines entsprechenden Ausschusses abhören dürfen – aber gerade die sind fein heraus: Geräte wie das von Berlusconi vorgezeigte hat keine der Polizeieinheiten je benutzt.

Auch sonst geht dem Armen alles schief. Um sich erneut als phantasievoller Führer auszuweisen, kam ihm jüngst die grandiose Idee, „unsere Partei auch per Wandgrafitti im Bewußtsein der Bevölkerung zu halten“. „Herrlich“, lobte il manifesto, „da freuen wir uns schon drauf, wenn Berlusconi und die Seinen mit Terroristenmaske und Spraydosen nächtens durch Mailand streichen und ,Es lebe Forza Italia‘ sprühen.“

Einen weiteren Rohrkrepierer landete er am Dienstag dieser Woche. Im Schmiergeldprozeß um einen seiner engsten Mitarbeiter, Marcello Dell'Utri, versuchte Berlusconi, die dem Mann immer mal wieder hinübergeschobenen Lire- Milliarden (eine Milliarde gleich eine Million Mark), die die Anklage für eine schwarze Kasse hält, als „persönliches Geschenk“ einzustufen. Der liebe Marcello habe „in seiner Bescheidenheit nie um Geld gebeten“, er habe es ihm „regelrecht aufdrängen müssen“. Und dann setzte er noch einen drauf: „Wissen Sie, für mich sind 200 Millionen so viel wie für einen von euch 20.000 Lire.“ Seine Imagemaker versuchten verzweifelt, ihm diesen Satz in den Mund zurückzustopfen – sie erinnern sich noch zu gut, daß die Wahl im Frühjahr unter anderem auch deshalb verlorenging, weil eine ehemals zum inneren Kreis der Berlusconi- Freunde gehörende Frau namens Stafia Ariosto ausgepackt und dabei insbesondere das Wohlleben und die Geldverschwendung des Clans auch mit pikanten Fotos illustriert hatte.

Eines hat Berlusconis Leibdemoskop Gianni Pilo immerhin erreicht: Berlusconi läßt sich nicht mehr in seinem Privatbüro filmen. Dort nämlich sieht aus wie im Palast des Sonnenkönigs – und „statt sich über die Wanze zu entsetzen“, notiert ein internes Papier, „haben die Leute gesagt: ,So eine neureiche Filzlaus‘“. Werner Raith