„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“

■ Edmund Stoiber will die Öffentlich-Rechtlichen doch erhalten – als Heimatkanäle

München (taz) – ARD-Chef Albert Scharf und ZDF-Intendant Dieter Stolte saßen schon etwas geduckt auf dem Podium, als Edmund Stoiber ans Pult trat. Alljährlich pflegt der bayerische Regierungschef zur Halbzeit der Medientage seine medienpolitischen Perspektivsetzungen durchzugeben. Vor zwei Jahren hatte er von dieser Stelle aus seine Initiative zur ARD-Reform gestartet – womit er damals die Abschaffung des ersten Programms meinte.

Als der Ministerpräsident wieder von der Kanzel stieg, war es zuerst Albert Scharf, der sich aus seiner Verspannung löste. So schlimm war es diesmal nicht. Natürlich erinnerte Edmund Stoiber an den Sturm, den er damals im Verbund mit Sachsens Regierungschef Kurt Biedenkopf ausgelöst hatte. Die Diskussion, so Stoiber, sei nicht beendet: „Mit Sicherheit“, sagte er, werde „der 31. Dezember des Jahres 2000 ein wichtiges Datum sein“. An diesem Tag, so haben es Stoiber und seine Länderkollegen in den neuen Rundfunkstaatsverträgen beschlossen, wird die darin festgehaltene Bestandsgarantie für ARD und ZDF vorerst enden. Was dann kommt, hängt von den Fakten ab, die Politik und Medienunternehmen jetzt zu schaffen beginnen.

Da wundert es, daß in den medienpolitischen Debatten auf den Medientagen Edmund Stoiber der erste ist, der die Diskussion um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eröffnet. Der Paradigmenwechsel in der Medienpolitik, der mit der Schlußphase der Staatsvertragsverhandlungen und mit dem Wettlauf ums Digitalfernsehen im Frühjahr begann, hat sich rasend schnell vollzogen. Ehrenerklärungen für die Öffentlich-Rechtlichen, wie Stoibers Bekenntnis zur „Integrationsfunktion“ des Gebührenrundfunks, wirken nurmehr als Zugeständnisse.

Stoiber machte auch deutlich, daß seine Bestandsgarantie für ARD und ZDF eine begrenzte bleibt: Dabei stellte er insbesondere die Pläne der Öffentlich- Rechtlichen für die digitale Zukunft in Frage – so die von den Ministerpräsidenten bereits gestatteten beiden Spartenkanäle mit Kinderfilmen und Dokumentationen. Stoiber: „Mit Verspartung schafft man natürlich Angriffsflächen.“ Am besten beschränkten sich die Öffentlich-Rechtlichen auf Vollprogramme – mit weitgehend regionalem Schwerpunkt: „Im Zuge der Globalisierung geht den Menschen ja auch zum Teil das Heimatgefühl verloren.“

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, sagte Stoiber zum Ergebnis der Staatsvertragsverhandlungen, bei denen Bayern seine Vorstellungen weitgehend durchsetzen konnte. Die nächste Halbzeit hat schon begonnen. Bereits bei der Eröffnung der Medientage am Montag hatte Bundespräsident Roman Herzog mit einer Randbemerkung über den Grundversorgungsauftrag und die Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichts den Fokus auf die medienpolitische Delegitimierung des höchsten Gerichts gelenkt. Dessen Urteile galten bislang als wichtige Verteidigungswaffen von ARD und ZDF. Stoiber tat gestern ein weiteres: Mit der Einführung des digitalen Fernsehens werde in absehbarer Zeit „die Frage gestellt, worin eigentlich die Begründung liegt, für die Rundfunkordnung, wie sie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägt wird.“

Die beiden Spitzenmänner der gebührenfinanzierten Anstalten zeigten sich dann in der Diskussion sichtlich dankbar, daß es diesmal so glimpflich abgegangen war. Doch ZDF-Chef Stolte blickte in den gleichen Zeittunnel wie Stoiber: „Wenn Bezahlfernsehen in zehn Jahren eine dritte Säule sein wird, dann werden wir alle“ – Stolte meint die bezahlfreien TV- Sender – „ein Problem kriegen.“

Und Kirchs Bezahlfernsehchef Gottfried Zmeck machte sich anheischig, seinem Ministerpräsidenten ein Argument für die Abschaffung der Öffentlich-Rechtlichen zu liefern: Wer sorge denn für die Kulturbindung des Fernsehens, fragte er und sagte es dann gleich: „Wir starten im November einen Heimatkanal.“ Lutz Meier