Bumm, bumm, Kampf, Kampf

■ "Ich kann sagen: Mein Film ist voller Liebe" - ein Gespräch mit dem chinesischen Actionstar Jackie Chan über erschütternde Zustände in der Special-effects-Branche

Eine ehrliche Haut aus einfachen Verhältnissen“ lautet übereinstimmend das Urteil über Jackie Chan, 42, den Actionhelden, der als „Faust des Zorns“ mit größter Wahrscheinlichkeit der lukrativste chinesische Kulturexport ist. Wenn in Asien Menschen ins Kino gehen, gehen sie nicht in „Drunk Monkey in the Tiger's Eyes“ oder „Snake in the Eagle's Shadow“, sondern in einen Film mit Jackie Chan. 46 davon gibt es bereits. Dennoch, so bemerken Journalisten, die ihn auf den Sets besuchen, immer wieder, ist er vollkommen unprätentiös, ja geradezu bescheiden geblieben. Er fönt sich sogar selbst. Mit seinem neuen Film „Rumble in the Bronx“ hat er nun erstmalig auch in Amerika Erfolg. Der Film startet heute in deutschen Kinos.

taz: Seltsamerweise scheint es, als seien Sie plötzlich für die ganze Familie tauglich. Wie kommen Sie zu dieser allgemeinen Akzeptanz?

Jackie Chan: Meine Filme waren früher so wie alle Actionfilme, das ging immer bumm, bumm, Kampf, Kampf, Kampf. Wenn junge Leute so etwas sehen, dann gehen sie raus und haben das Gefühl, sie wollen eine Mülltonne zusammenschlagen. Aber jetzt kommen sie aus meinen Filmen sehr glücklich. Ich kann sagen: Mein Film ist voller Liebe. Mädchen finden mich süß, Jungs finden mich lustig, Mütter wollen mich beschützen, weil ich so ein bißchen tapsig bin. Außerdem: Es gibt keine schlimmen Worte, keine schmutzigen Witze, keinen Sex.

Das klingt hollywoodtauglich. Räumt Amerika Ihnen so gute Arbeitsbedingungen ein wie Hongkong?

Also, da gibt es die merkwürdigsten Dinge, gerade im Actionkino. Ich sage zu einem Freund: Wie kannst du zehn verschiedene Actionszenen für zehn verschiedene Filme machen? Und er: Nein, Jackie, ich mache eine Actionszene für zehn Filme. Der spinnt wohl! Das ist doch unverantwortlich! Er bringt Michael Douglas einen Stunt bei – bumm, bumm, tritt den Tisch! –, und dann geht er weiter und bringt Marlon Brando denselben Stunt bei. Ich bin anders; ich mache alles selbst. Ich hatte einen Schädelbruch, ein aufgeschlitztes Augenlid, Fraktur der Brustplatte, ich höre schlecht seit meinem Unfall damals in Jugoslawien – also mir braucht niemand etwas zu erzählen. Und dann bringe ich es den Stuntleuten bei. Ich mache das schließlich seit 34 Jahren.

In Hongkong ist das Problem, daß wir keine so guten Liebesfilme haben wie die in Japan und nicht so gute Gangsterfilme wie „Der Pate“. Die Amerikaner machen diese Spezialeffekte: Der Darsteller steht vor einem blauen Hintergrund, bekommt Wasser ins Gesicht, und nach der Montage sieht alles unheimlich gefährlich aus, wie nach einer Explosion. Das kann ja jeder. Wenn Sie mich aus dem siebten Stock springen sehen, springe ich aus dem siebten Stock. Also ich habe mich entschlossen, normale Wesen zu spielen. Wesen, die vielleicht ein bißchen mehr können als der normale Durchschnittsbürger, aber mir glaubt man meine Stunts eben trotzdem. Ich sehe ein Hochhaus oder einen Baum und sage: Ahhh, da müßtest du runterspringen.

Alles gut und schön, aber eins ist doch auffällig. In Ihren Filmen kriegen Sie nie das Mädchen?!

Nun, wissen Sie, normalerweise mache ich wirklich nichts mit Küssen und so. Aber ich glaube, ich werde jetzt erwachsen. Die Sache sollte ein bißchen Romantik haben. Denn die Romanze erklärt, warum die Jungs den Supermarkt kurz und klein schlagen. Es gehört einfach zu einer Geschichte dazu. Du mußt es machen heutzutage.

Sie werden gern als „Buster Keaton Asiens“ bezeichnet. Ganz so zart sind Sie doch aber nicht besaitet?

Nun, ich mag keine Gewalt im Kino, wenn Sie das meinen, ich mag Action. Die Szenen haben eher was mit Ballett oder Musical zu tun. Nehmen wir mal an, hier in der Lobby sollte ich eine Actionszene drehen. 15 Typen kommen rein (für meinen neuen Film übrigens habe ich nicht nur schwarze Gegner gewählt; auch Chinesen und ein paar Italiener sind dabei). Okay, also diese Leute kommen zu 15 Mann auf mich zu. Die kann ich nicht alle auf einmal nehmen. Also renne ich erst mal weg – hätte Keaton auch gemacht! An der nächsten Ecke treffe ich drei oder vier, denen haue ich eins vor die Rübe. Dabei fließt kein Blut! Dann kriegen die aber Verstärkung, ich klettere schnell an der Fahnenstange hoch, an der wir eine deutsche Flagge gehißt haben. Es muß eben glaubwürdig sein. Aber da sind die Studios komisch. Wenn ich sage: Ich habe für den Film noch eine CIA-Geschichte, eine Indianergeschichte und eine mit roten Feuerwehrleuten, dann sagen sie: Bitte sehr, du hast zehn Tage, Jackie. Dann sage ich: Gut, dann muß ich eben in der und der Szene aus dem Fenster springen. Das wollen sie dann aber auch nicht. Bitte benutze die Treppe, heißt es dann, weil ihnen der Stunt zu teuer ist. Ich verstehe das nicht. Interview: Peter Bergman