Viel Lob für Priebke-Revision...

... was möglicherweise verfrüht ist. Denn daß der Prozeß gegen den ehemaligen SS-Mann Erich Priebke wieder aufgerollt wird, heißt noch nicht, daß er schließlich auch verurteilt wird  ■ Aus Rom Werner Raith

Nahezu einhellige Zustimmung zum Spruch des römischen Kassationsgerichts vom Dienstag abend in Sachen Erich Priebke (83): Daß der Prozeß, in dem der ehemalige SS-Mann zwar des Massakers an 335 Zivilisten schuldig gesprochen, doch dann wegen „Verjährung“ nicht verurteilt wurde, nun neu aufgerollt wird, scheint den meisten Kommentatoren im In- und Ausland eine Art „Wiedergutmachung“ des Obersten Gerichts nach dem „Schandurteil“ (la Repubblica) vom 1. August 1996. „Die Gerechtigkeit hat gesiegt“, kommentierte der Staatsanwalt, und auch die Angehörigen der Opfer zeigten sich zufrieden: „Ein neuer Anfang, voller Hoffnung“, sagte die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Tullia Zevi.

Daß der Fall nun ganz neu verhandelt werden muß, verdankt Italien aber ausgerechnet jenem Vorsitzenden des Militärtribunals, Agostino Quistelli, der das umstrittene Urteil in der Kammer durchgedrückt hatte: Der hatte seine juristische Wertung schon während der Verhandlung einige Male herausgelassen, was zu einem Befangenheitsantrag führte, der aber vom – ebenfalls militärischen – Appellationsgericht zurückgewiesen wurde. Erst danach konnte der oberste zivile Gerichtshof angerufen werden, und der hat nun den Nebenklägern recht gegeben. Wahrscheinlich wird nun auch noch der ehemalige Hauptmann Karl Hass mit angeklagt, der sich während der Verhandlung in Widersprüche veheddert hatte.

Bei dem Massaker in den Ardeatinischen Höhlen waren 1944 als Vergeltung für einen Partisanenanschlag pro getötetem Deutschen zehn wahllos herausgegriffene Zivilisten hingerichtet worden, dazu noch weitere fünf – wobei bis heute ungeklärt ist, wieso. Wieweit Priebke Mitschuld an den „Überzähligen“ hatte, konnte nicht geklärt werden – vor allem wohl aufgrund der Unfähigkeit des Militärstaatsanwaltes Antonino Intelisano, der normalerweise so gravierende Delikte wie Trunkenheit im Dienst verfolgt hatte und heillos überfordert war. Genau hier setzt nun aber auch die Skepsis vieler Beobachter ein: Wird der Prozeß erneut vorm Militärtribunal zelebriert, besteht große Gefahr, daß das Ergebnis am Ende das gleiche ist wie diesmal. Nur wenn auch noch einem zweiten Einspruch der Opferanwälte stattgegeben wird, käme wohl so richtiges Vertrauen in die Rechtssprechung auf – die Feststellung der Nichtzuständigkeit des Militärtribunals. Die Nebenkläger hatten die Zuständigkeit bestritten, weil Priebke seinerzeit als SS-Mann aufgetreten sei – also als Angehöriger einer politischen Organisation.

Sollte diesem Einspruch nicht stattgegeben werden, könnte ein weiterer Spruch die Lage wieder völlig verändern: Das Verfassungsgericht muß in den nächsten Wochen entscheiden, ob das Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und Italien verfassungsgemäß ist – tatsächlich sitzt Priebke derzeit nur wegen eines Überstellungsbegehrens der Staatsanwaltschaft Dortmund in Haft. Entfällt dieser Grund, wird das Militärgericht angesichts des fortgeschrittenen Alters des Angeklagten und der voraussichtlichen jahrelangen Prozeßdauer Haftverschonung anordnen. Kommt Priebke aber frei, ist eine Flucht nicht ausgeschlossen – er hat noch immer viele einflußreiche Freunde in Italien.