Ein überfälliger Schritt: Kommende Woche will die CDU auf ihrem Bundeskongreß beschließen, ein Drittel aller Ämter und Mandate mit Frauen zu besetzen. Im letzten Jahr scheiterte die Parteispitze mit dem gleichen Anliegen Aus Bonn Bettina Gaus

Quote, Quorum und Querelen

Vielleicht klappt's ja dieses Mal. In einem neuen Anlauf will die CDU nächste Woche auf ihrem Parteitag in Hannover das beschließen, was es bei den Grünen seit zehn Jahren und bei den Sozialdemokraten seit acht Jahren gibt: eine Frauenquote, von den Christdemokraten „Quorum“ genannt. Ein Drittel aller Parteiämter und öffentlichen Mandate sollen danach künftig mit Kandidatinnen besetzt werden.

Vorgesehen war ein ähnlicher Beschluß schon im letzten Jahr. Aber auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe scheiterte der entsprechende Antrag knapp an fünf Stimmen – und das, obwohl Bundeskanzler Helmut Kohl ihn zur Chefsache gemacht hatte. Wie erstarrt nahmen er, Generalsekretär Peter Hintze und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth damals ihre Niederlage zur Kenntnis.

Mit unbotmäßigem Abstimmungsverhalten der Delegierten haben christdemokratische Spitzenpolitiker wenig Erfahrung. Fällt der Antrag auch dieses Mal durch, dann käme das einer schallenden Ohrfeige für die Führungsriege der CDU gleich.

Für die Schlappe vom letzten Jahr waren möglicherweise Planungsfehler verantwortlich. Der Antrag zum Satzungsrecht wurde unmittelbar vor Schluß des Parteitags abgestimmt, als viele Delegierte bereits abgereist waren. Das soll sich nicht wiederholen. In Hannover steht das Thema Quorum auf der Tagesordnung ganz weit vorne, noch vor den Wahlen zum Bundesvorstand.

Die geplante Frauenquote der CDU ist mit nur einem Drittel bescheiden. Die Bündnisgrünen besetzen entsprechend ihrem Statut mindestens die Hälfte aller Posten mit Frauen. 59,8 Prozent aller Mitglieder ihrer Bundestagsfraktion sind weiblich. Bei der SPD müssen inzwischen immerhin 40 Prozent aller Parteiämter an Frauen vergeben werden. Bei den Mandaten reicht noch ein Drittel, 1998 aber soll auch in diesem Bereich die Quote auf 40 Prozent steigen. Gegenwärtig stellen Frauen 34,1 Prozent der SPD-Bundestagsabgeordneten.

Die zurückhaltende Festlegung der Quotenhöhe bei der CDU spiegelt die parteipolitische Realität wider. Die christdemokratischen Frauen im Bonner Abgeordnetenhaus sind eine kleine Schar. Sie machen gerade 13,9 Prozent ihrer Fraktion aus. Ein weiblicher Anspruch auf ein Drittel aller Parlamentssitze würde ihre Zahl sprunghaft in die Höhe treiben. Das wäre wohl auch unter wahltaktischen Gesichtspunkten dringend nötig.

Analysen zeigen, daß der CDU die Wählerinnen davonlaufen. Die Zeiten, in denen sich Christdemokraten bei den Frauen einer soliden Mehrheit sicher fühlen durften, sind vorbei. Zwar haben bei den letzten Bundestagswahlen noch immer 53 Prozent der über 60jährigen Frauen die Union gewählt – bei der Altersgruppe bis 24 Jahre aber waren es gerade noch 31 Prozent. Für jüngere Frauen sind vor allem die Bündnisgrünen attraktiv.

Dennoch stehen nach wie vor viele in der CDU jeder Geschlechterquotierung grundsätzlich ablehnend gegenüber. Eine „Diskriminierung jeder selbstbewußten Frau“ nannte die christdemokratische Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach die Frauenquote gegenüber der taz. Sie meint: „Die Frauengeneration, die jetzt heranwächst, sieht so etwas viel selbstbewußter. Die jungen Frauen glauben, daß sie so etwas nicht mehr brauchen.“

Widerstand gegen die beantragte Satzungsänderung will die Parlamentarierin aus Frankfurt am Main dennoch nicht leisten: „Damit wir endlich dieses leidige Thema vom Tisch haben, werde ich mich nicht mehr dagegen wenden.“ Der Entwurf sei „erträglicher gestaltet“ als die Vorlage von Karlsruhe. „Das Ergebnis des letzten Parteitages hat Früchte getragen.“

Aus der Sicht von Erika Steinbach mag das stimmen. Der jetzt vorliegende Antrag ist gegenüber dem vom Vorjahr erheblich entschärft worden. Erzwingen läßt sich damit kein einziger Platz für Frauen mehr.

Bei Listenvorschlägen für Mandate ist einer von jeweils drei Plätzen für eine Frau zu reservieren. Aber aus der Muß-Bestimmung von Karlsruhe ist in der Vorlage für Hannover eine Soll-Bestimmung geworden. Bei Wahlen zu Parteiämtern sieht das Verfahren anders aus. Wird im ersten Durchgang das weibliche Drittel nicht erreicht, dann ist die Wahl ungültig und muß wiederholt werden. Das Ergebnis des zweiten Wahlgangs zählt dann jedoch in jedem Falle – selbst wenn unter den Gewählten überhaupt keine Frau mehr ist.

Vorkämpferinnen und Befürworter des Quorums setzen mehr auf die Imagepflege als auf den Zwang. Die Optik sei allzuschlecht, wenn das Frauendrittel nicht erreicht werde, so hoffen sie. Und dem werde sich wohl niemand aussetzen wollen.

Eine optimistische Sicht.

Die Quote rührt an Existenzen. Setzt sie sich durch, dann müßten allein im Bundestag bei gleichen Mehrheitsverhältnissen wie bisher 58 Männer der Union bei den nächsten Wahlen ihre hochdotierten Sessel räumen.

Ironie der Parteigeschichte: Kommt das Quorum durch, dann wird voraussichtlich ausgerechnet eine Politikerin davon als erste profitieren, die früher erbitterte Gegnerin der Frauenquote war. Familienministerin Claudia Nolte hat ihre Kandidatur fürs Präsidium der CDU angemeldet. Ihre Bewerbung ist die achte für das siebenköpfige Gremium. Einer ihrer männlichen Parteifreunde dürfte die Folgen der neuen Regelung also gleich zu Beginn des Parteitags zu spüren bekommen – es sei denn, es käme zu einem zweiten Wahlgang. Dann könnte eben auch mit neuer Satzung alles beim alten bleiben.