Einige Augenblicke Knabberspaß

■ HSV schlägt Spartak Moskau 3:0 und hat UEFA-Cup-Achtelfinale so gut wie sicher. Präsident Uwe Seeler wollte „sensationelles“ Spiel gesehen haben

Die Europäische Fußball-Union kümmert sich um alles. Größe der Spielfelder, Schnitthöhe der Rasens, Luftdruck der Lederbälle und was sonst noch zu einem professionellen Kick gehört – nichts entgeht den UEFA-Funktionären. Seit der Europameisterschaft kümmern sich die Wahrer der Fußball-Ordnung nun auch noch um das Benehmen der Stadionbesucher.

In ihrem „Appell an die Zuschauer“ wandeln die Beamten auf Knigges Pfaden. Um den Europapokal-Spielen „einen würdigen Rahmen zu verleihen“, werden die Fans zu allerlei angehalten. So ist es „nicht zugelassen, daß durch unkorrektes Verhalten einer Minderheit der Mehrheit der Zuschauer die Freude am guten Fußball genommen wird“.

Bedeutsamer ist jedoch der im feinsten Bürokraten-Duktus formulierte Hinweis „bei Freudenausbrüchen oder Enttäuschungen die für ein sportliches Verhalten bestehenden Grenzen nicht zu überschreiten“. Also: Beim Jubeln die Arme nicht schneller nach oben reißen als mit 10 Km/h, Konfetti-Schnipsel müssen quadratisch sein und dürfen nicht aus Locher-Abraumhalden stammen, vor allem aber: keine spontane Fraternisierung auf den Sitzplätzen (Stehränge interessieren die UEFA-Herrn sowieso nicht mehr).

Mittwoch abend standen die Benimmregeln jedoch kaum in Gefahr, verletzt zu werden. Die meisten der nicht einmal 18 000 Zuschauer im Volksparkstadion feierten bei Dauerregen verhalten; ohnehin zählen die HSV-Fans nicht zu den besonders heißblütigen. Nur Uwe Seeler riskierte einen Rüffel. „Das war sensationell“, posaunte Uns Uwe lautstark nach einer taktisch disziplinierten, aber sonst unglamourösen Vorstellung seiner ersatzgeschwächten Mannschaft hinaus. Keine Strafe, für Präsidenten gelten wohl andere Gesetze.

Trainer Felix Magath (mit neuer Schiebermütze!) hatte gleichfalls „eine großartige Leistung“ gesehen. Dennoch sei man gegen „einen schweren Gegner“ nicht weiter und müsse schon morgen bei Schalke 04 wieder bundesligaspielen. Der UEFA-Cup eine zu große Belastung? „Das ist mir lieber, als vor dem Fernseher zu sitzen und Kartoffelchips zu essen“, befand der Coach nach dem 3:0-Sieg im 75. UEFA-Cup-Spiel.

Seinem enttäuschten Kollegen Georgi Jartsew war der Knabberspaß längst vergangen: Lediglich „einige Augenblicke“ habe seine „junge Mannschaft“ zu ihrem Spiel gefunden. Ansonsten agierte der dreifache russische Meister so, als wähnten sich dessen Spieler beim Ratsherrn-Cup, dem Hamburger Hallenturnier, das Spartak schon viermal gewinnen konnte. Immer wieder klein-klein wurde brotlos kombiniert. Glaubten die Rot-Weißen, daß Pässe über mehr als zehn Meter verboten wären? Wenn ja, ein folgenschwerer Irrtum: So weit würde selbst die UEFA nicht gehen. Clemens Gerlach