Durchs Dröhnland
: Das Zeitalter des Swingers

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Um zu beweisen, daß Punkrock nicht immer Eins-zwei-uffta- uffta sein muß, gaben Double Nelson mit Megaphon und eingemixten Dance-Beats und vor allem viel Lärm dem Genre eine Lebendigkeit zurück, die es eigentlich nicht mehr verdiente. Inzwischen aber hat sich das Trio aus Nancy von den Punkwurzeln entfernt und läßt sich alles offen. Um so schwieriger wird die Beschreibung dieser Parallelwelt, die sie sich da zusammengeschustert haben. Als kleinster gemeinsamer Nenner der verwegen querschießenden kruden Ideen läßt sich bestenfalls ein unsicheres Tasten ausmachen. Ein Tasten auf der Suche nach etwas Neuem, das zwar unweigerlich in einer quietschbunten Patchworkdecke endet, aber in der läßt es sich ganz prima einkuscheln.

18. 10., 22.30 Uhr, Roter Salon, Volksbühne, Rosa-Luxemburg- Platz;

19. 10., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68

Einen lustigen kleinen Punkrock spielen die Hybrid Children. Die Finnen nennen ihre Platte „Uncensored Teenage Hardcore“ und haben ein Plüschkaninchen auf dem Cover. Das sagt eigentlich alles. Zu vermuten ist, daß ihnen Kaugummi als Grundnahrungsmittel dient. Und die süßen Songs, die sie spielen, sind auch kaum mehr als eine große glänzende Blase: Nur Luft drin, aber beim Platzen knallen sie schön laut.

18. 10., 24 Uhr, Café Swing, Nollendorfplatz;

19. 10., 21 Uhr, Thomas-Weißbecker-Haus, Wilhelmstraße 9

Inzwischen ja nun schon fast schon klassisches Gitarrengeklampfe kommt aus Weimar mit den Burning Flowers, die ihren Reiz aus der Diskrepanz zwischen lieblichem Gedängel und manchem Hardrock-Gekreische beziehen. Es kommt aber auch vor, daß ihre Songs vor lauter Dramatik kein Ende finden. Dann wird es wie in den Siebzigern.

19. 10., 22 Uhr, Ackerstr. 169–170

Irgendwo aus dem englischen Niemandsland kommen die Press Darlings, deren Name kaum mehr als Zynismus bleiben wird, solange sie nicht nach London umgezogen sind. So lange lassen sie noch kontemplativ ihre Gitarren um einfachste Folk-Schemata kreisen und die Sängerin ein wenig sentimental trällern. Ein bißchen eintönig, aber dann doch irgendwie Pop.

23. 10., 23 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56

Als Compustible Edison das Zeitalter des Swingers ausriefen, war das kaum mehr als ein Scherz. Heutzutage nippt jeder Gymnasiast am Cocktailkelch, und Mike Flowers stürmt die Charts. Doch die Anzüge und Rollkragenpullover stehen Katerine eindeutig am besten, der mit Vornamen Philippe heißt und aus Frankreich stammt. Fast emotionslos singt er sich durch seine bedingungslos ruhigen und absolut schweißlosen Songs, deren größtes Verdienst ihr unglaublich warmer Sound aus Vibraphonen, schaumgebremsten Gitarren, gerührtem Schlagzeug und gestopften Trompeten ist. Ist cool, Mann, aber hat weniger Kalorien.

24. 10., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176

Doch zurück zu den Härten des Musikantendaseins. Es geht auch anders, es gibt nicht nur Wohlklang, man muß sich auch abarbeiten können und wollen. Zwar kommen DSB auch aus Frankreich, aber ihnen geht jede Eleganz ab. Ein böses Grollen ist ihr Hardcore, der kaum mehr will als seine Wut hinausschreien. Konsequenterweise verzichten sie denn auch auf die eigene Sprache, denn „Freedom“ läßt sich doch vehementer erkämpfen im „Holy War“. Humor ist nicht gerade eine der Stärken der Pariser.

24. 10., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64

Drogenkopf Evan Dando ist angeblich wieder gesund, aber die Lemonheads wären nicht mehr nötig gewesen, solange man noch A Subtle Plague aus San Francisco hat. Über die gibt es auch viel schönere Geschichten zu erzählen: Man hat nicht nur die drei in Deutschland geborenen, aber sonstwo aufgewachsenen Brüder Simmersbach in der Band, sondern auch ein Liebespaar, und das hat einen Sohn, der auf Tour von Mutter Simmersbach betreut wird. Eine Band, die so hoch sympathisch ist, daß sie reihenweise Songs zu obskuren Underground-Filmen beigesteuert hat, von denen man garantiert keinen kennt. Eine Band, die es sich nicht nehmen läßt, gleich vier akustische und mit dem Walkman aufgenommene Tracks als Dreingabe an die CD zu hängen. Indie-Rock, wenn irgend jemandem das Wort noch was sagt. Sechs Leute brauchen A Subtle Plague, um voll ausgerüstet einen recht eindimensionalen Gitarrenkrach zu machen, der allerdings dann schwer arschtritt. Das ist so hoffnungslos altmodisch, daß es schon wieder Spaß macht. Der Termin, doch noch mal das Holzfällerhemd rauszuholen.

24. 10., 21 Uhr, Knaack Thomas Winkler