Zwischen den Rillen
: Bad, wie sie sein wollen

■ Women in HipHop revisited: Aaliyah, YoYo, MC Lyte

Faustregel: Die uninnovativste, von Reimkultur nahezu unbelastete Platte wird kommerziell gewinnen. Gilt leider auch für die paar Frauen, die es im HipHop gibt. Die 17jährige Aaliyah zum Beispiel, (Noch- ?)Ehefrau von Soul-Superseller R. Kelly, hat nach ihrem Debüt „Age Ain't Nothing But A Number“ ein zweites zuckersüßes Rhythm-'n'-Blues-Album namens „One In A Million“ aufgenommen. Viel mehr läßt sich kaum dazu sagen. Sie ist wirklich nur „One In A Million“, aber entspricht damit mehr dem aktuellen Wunsch nach Stimmchen und Sweethardness als die beiden First Ladies of HipHop, YoYo und MC Lyte. Die beiden bilden die Star-Ausnahmen im female HipHop – und sind dennoch in der HipHop- Öffentlichkeit kaum vorhanden, einfach, weil sie keine umwerfenden Verkaufszahlen vorweisen können. Wo Aaliyah Platin absahnt, hat es MC Lyte hier gerade mal in die Top 40 geschafft.

Das macht irgendwie mürbe. Nachdem MC Lyte mit ihrem 1993er Album „Ain't No Other“ noch deutlich härtere Töne angeschlagen hatte, hat auch sie sich auf den Weg zum soft and cosy land gemacht. „Bad As I Wanna Be“ ist viel weniger bad, als man dem Titel nach vermuten könnte. Allerdings hat sie ihre schnippische Stimme nicht verloren, und auch wenn sie die Supergirls von Xscape im Hintergrund schnulzen läßt und in ihren Videos vor allem die sauteure Wohnungseinrichtung (plus Mercedes) vorführt, sind MC Lytes Texte auf der Straße und im HipHop geblieben.

Beim Titel „Everyday“, in dem die versetzten Zustimmungsstimmen ihrer Mitfahrerinnen den Melodiefluß immer wieder leicht abstoppen, macht sie die Voraussetzungen für ein Leben mit Miss Thang klar. Nicht nur Respekt, Anerkennung, Unterstützung und Verständnis für ihren harten MC- Job wird gefordert, sie stellt auch einen genauen Plan auf, wie der Mann, der ihr Mann sein will, das Haus zu versorgen, das Auto zu waschen, ihren Rücken zu massieren und das Badewasser zu temperieren hat.

MC Lyte stellt aber nicht nur Bedingungen hinsichtlich ihres Haushalts, ein Stück wie „Keep On Keepin' On“ ist ein Verzeichnis ihrer sexuellen Präferenzen: Was wie lange wo getan werden muß, damit Frau Lyte Befriedigung findet. Daß sie dabei die softere Singsang-Variante im Stil von TLC benutzt, tut der kantigen Direktheit ihrer Stücke keinen Abbruch. Bei „Have U Ever“, einem klassischen Rap-Contest-Stück, macht sie klar, daß sie die Größte, Beste, Geschickteste ist, und all die Typen da draußen nur versuchen sollten, mit ihr in den Ring zu steigen; dann würden sie schon sehen, was für ein Hurrikan sie davontragen und zermalmen wird.

Nur gegen YoYo, ihre Kollegin im Geiste, geht MC Lyte nicht an – sie arbeitet sogar mit ihr zusammen: Auf YoYos Platte „Total Control“ macht sie mit ihr den Opener im Girl- Talk-Format. Es geht – mal wieder – um Jungs. Wie sie sein müssen, damit sie für MC Lyte und YoYo in Frage kämen. „We need a cutie with tha big D and money.“ So einfach. Versace muß er tragen, teure Autos fahren, wissen, was guter Sex ist.

YoYo, die sich ansonsten als Gründerin der „Intelligent Black Women's Coalition“ und als Antwort-Kolumnen-Schreiberin im Vibe-Magazin betätigt, hat sich auf ihrer vierten Platte zum ersten Mal von der allmächtigen Produzentenschaft Ice Cubes wegbewegt, ist selbst Produzentin geworden. Doch trotz dieser Kontrolle: wenig, was auf „Total Control“ an die deutlich hardcoriger angelegten Vorgängerinnen wie etwa „You'd Better Ask Somebody“ erinnert. Obwohl sie nur selten vom Sprechgesang in soften Singsang verfällt, ist die neue Platte unentschiedener. Allerdings ist „Same Ol' Thing“ ein richtig lustiges Stück, in dem alles mögliche an Liedfetzen gesampelt oder, wie etwa der Otis- Redding-Klassiker „Sitting on the Dock of the Bay“, superfalsch von YoYo dahingeträllert wird.

Und sonst? Daß MC Lyte nichts für Drogen übrig hat, ist Dauerthema von „Bad As I Wanna Be“. Das roughe „Druglord Superstar“ erzählt von einem Ex-Geliebten, der vom Kurier zum mittelgroßen Dealer aufsteigt, und den sie am Ende aus der Wohnung wirft. Im chilligen Soul-Stück „Two Seater“ schließlich gibt sie ihrem Lover gar zu verstehen, daß in ihrem Zweisitzer kein Platz zum Kiffen ist.

Für diese Runde muß YoYo ihren Titel als First Lady des HipHop an MC Lyte abgeben. Vielleicht liegt die Mittelmäßigkeit des Albums daran, daß sie zuviel an Gott gedacht hat, der auf dem „Total Control“-Cover jetzt den Stellenwert einnimmt, den zuvor Ice Cube innehatte. Annette Weber

Aaliyah: „One In A Million“ (Blackground/Atlantic/EastWest)

MC Lyte: „Bad As I Wanna Be“ (Elektra/EastWest

YoYo: „Total Control“ (Elektra/EastWest)