Schwunghafter Handel mit BSE-Hirnen in Irland

■ Bauern schielen auf Entschädigungen, wenn die Herde getötet werden muß

Dublin (taz) – Es war merkwürdiges Gepäck, das die drei Männer bei sich trugen: mehrere Plastikbehälter mit einer dicken, grauen Masse. Es seien Hirne von BSE-infizierten Rindern, erklärte einer der drei, die mit leicht nordirischem Akzent sprachen. Er wollte die Behälter bei den Nationalen Pflugmeisterschaften im südirischen Carlow verkaufen. Der Preis: 5.000 Pfund pro Stück.

Die Meisterschaften sind das wichtigste Ereignis im bäuerlichen Kalender. Rund 100.000 Menschen kommen jedes Jahr zu dem Festival. Seit der Rindfleischkrise ist die Stimmung allerdings nicht mehr so ausgelassen wie früher. Obwohl es bisher lediglich 153 BSE-Fälle in der Republik Irland gibt, ist der Rindfleischverbrauch spürbar zurückgegangen. Viele Bauern sind dadurch in finanzielle Not geraten und haben offenbar ein Auge auf die großzügigen staatlichen Entschädigungen geworfen. In Irland muß die gesamte Herde getötet werden, wenn ein einziger BSE-Fall auftritt – eine vertrauensbildende Geste für die Kundschaft, der bisher 25.000 Rinder zum Opfer gefallen sind. 16 Millionen Pfund sind dafür aus dem Staatssäckel geflossen. Das Landwirtschaftsministerium gab bekannt, daß man von den Betrugsversuchen wisse. Dabei wird verseuchte Hirnmasse in die Köpfe gesunder Kühe injiziert.

Ein Ministeriumssprecher warnte die Bauern, daß sie „nicht nur leer ausgehen, sondern auch geschnappt werden, wenn sie blöd und verbrecherisch genug sind, das zu probieren“. Man habe in letzter Zeit mehrmals festgestellt, daß Bauern bei der Altersangabe ihrer BSE-Kühe gemogelt hätten. Vermutlich wollten sie dadurch die Diskrepanz bei den Inkubationszeiten vertuschen: Wird der Erreger oral aufgenommen, dauert es länger, als wenn man ihn ins Hirn injiziert.

Seit der IRA-Bombe vor anderthalb Wochen ist die innerirische Grenze wieder unbewacht. Die Polizisten, die jeden Feldweg abgeriegelt hatten, schieben jetzt in Dublin antiterroristischen Dienst. Ein Bauer, der anonym bleiben wollte, sagte, man habe ihm während der Pflugmeisterschaften ein angeblich infiziertes Rinderhirn aus Nordirland angeboten. Als er ablehnte, habe der Mann gesagt: „Macht nichts, wir haben genügend Kunden.“ Dann habe er hinzugefügt, daß der plötzliche Anstieg des Rinderwahnsinns in Irland auf die Aktivitäten seiner Leute zurückzuführen sei. In diesem Jahr sind schon 38 Fälle gezählt worden. Im vorigen Jahr waren es nur 16.

Die russische Regierung hat vorgestern auf diese Zahlen reagiert: Ab sofort darf Rindfleisch aus den Grafschaften Cork, Tipperary und Monaghan nicht mehr nach Rußland importiert werden, weil in diesen Grafschaften die meisten neuen Fälle aufgetreten sind. Der Bauernverband bezichtigte Landwirtschaftsminister Ivan Yates des Verrats, weil er dem Embargo zugestimmt habe. Yates beteuerte dagegen, er habe keine andere Wahl gehabt: „Sonst hätten sie alles irische Rindfleisch auf den Index gesetzt.“ Ralf Sotscheck